Gender ist zu englisch für die Deutschen

Die Regierung Merkel tut wenig für die Rechte von Frauen, so ein neuer Bericht für die UN. Im Gegenteil: Sie begrabe das geforderte Gender Mainstreaming

BERLIN taz ■ In Deutschland wird zwar manchmal nach einem neuen Feminismus gerufen, aber da, wo es wehtut, findet er nicht statt. Das zeigt der jüngste Bericht der wichtigsten Frauenverbände für den Frauenrechtsausschuss der UNO, der am Montag vorgestellt wurde. Er bescheinigt der deutschen Politik in Geschlechterfragen wenig Engagement.

Der 23-köpfige Frauenrechtsausschuss überwacht das UN-Abkommen zur „Beseitigung jeder Diskriminierung der Frau“ (Cedaw). Alle vier Jahre müssen die Staaten erklären, wie sie gegen Geschlechterdiskriminierung arbeiten. Ende Januar 2009 wird der sechste Bericht der deutschen Regierung in einer Ausschusssitzung in Genf diskutiert. Die Verbände reichen dazu einen sogenannten Schattenbericht ein, der den Regierungsbericht ergänzt.

Der UN-Ausschuss ist mit der Bundesrepublik generell nicht zufrieden. Kritisiert werden der extrem große Unterschied zwischen den Einkommen von Frauen und Männern, der Mangel an Frauen auf Chefsesseln oder das Ehegattensplitting, das eine traditionelle Arbeitsteilung in den Familien fördert. Das Abkommen verpflichtet Regierungen auch dazu, zu prüfen, ob ihre Politik und die Mittel aus dem Staatshaushalt Frauen und Männern gleichberechtigt zugutekommen. Gender Mainstreaming und Gender Budgeting nennt man das.

Beides geschieht aber in Deutschland in der Regel nicht. „Die Bundesregierung ist dabei, Gender Mainstreaming wieder abzuschaffen“, resümiert Marion Böker, Politikberaterin mit dem Spezialgebiet Gender Budgeting und Mitverfasserin des Schattenberichts. Zu Gender Budgeting hatte die Regierung in einer Stellungnahme erklärt, es sei „nicht sinnvoll, Gender Budgeting in das bestehende, sehr komplexe Haushaltsverfahren einzuführen“. Zum Gender Mainstreaming heißt es im offiziellen Regierungsbericht: „Mit der Übernahme des englischen Begriffs Gender Mainstreaming sind mancherorts Widerstände entstanden, die eine nachhaltige Verankerung des Anliegens verhindert haben.“ Man wolle deshalb die Gleichstellungspolitik „neu ausrichten“.

„Das ist Makulatur“, urteilt Böker. „Man streut der Öffentlichkeit Sand in die Augen.“ Sie selbst hat Genderstrategien für Verwaltungen entwickelt: „Angestellte, die erst mit den Augen rollten, fanden diese Instrumente, wenn sie sie verstanden hatten, hilfreich und sinnvoll.“ Wie andere konservativ regierte EU-Staaten wolle auch die deutsche Regierung die Gleichstellungspolitik still begraben, meint Böker.

Das Frauenministerium widerspricht: „Die Vorwürfe sind unbegründet“, so Sprecher Hanno Schäfer zur taz. Man habe lediglich den Anglizismus „Gender Mainstreaming“ durch den deutschen Ausdruck „Leitprinzip Geschlechtergerechtigkeit“ ersetzt, um die Akzeptanz zu erhöhen. Ansonsten arbeite man weiter an der inhaltlichen Umsetzung der Strategie.

Die NGOs bezweifeln das. Der Schattenbericht listet deshalb Studien und Statistiken auf, die die Regierung nicht so deutlich erwähnt. So etwa, dass zwar mehr Frauen berufstätig sind als früher, doch sie arbeiten immer kürzer – in Teilzeit, Mini- oder Midijobs. 70 Prozent aller Frauen in festen Jobs arbeiten laut Bericht im Niedriglohnbereich. Wenn sie arbeitslos werden, bekommen sie oft weder Geld noch Fortbildungen. Die AutorInnen des Berichts kritisieren an vielen Stellen, dass die Regierung zwar einige Einzelaktivitäten anpreise, doch sei sie weit davon entfernt, ein Programm mit Zielen und Strategie zu entwickeln. Das aber wäre Gender Mainstreaming.

Nach der Genfer Sitzung wird der Ausschuss seine Schlussfolgerungen veröffentlichen. Er hat zwar wenige Sanktionsmöglichkeiten, aber die Mitglieder können entscheiden, ein Land spontan zu besuchen und vor Ort zu kritisieren. Das zieht in der Regel, anders als ein im Internet veröffentlichtes Statement, schlechte Presse nach sich.

HEIDE OESTREICH