Kleine grüne Spaltung im Südwesten

Zwei Stadträte verlassen die grüne Fraktion in Freiburg: Deren Politik sei großenteils spießbürgerlich und arrogant. Dabei geht es nicht nur um Alkoholverbot in der Innenstadt und Videoüberwachung, sondern auch um schwarz-grüne Zusammenarbeit

VON ULRIKE WINKELMANN

Nur an wenigen Flecken Deutschlands sind die Grünen derzeit an der Macht. In Freiburg aber, ganz im Südwesten, regiert ein grüner Oberbürgermeister, Dieter Salomon. Bislang stellten die Grünen auch die stärkste Fraktion im Gemeinderat. Jetzt aber sind von 15 Grünen Gemeinderäten zwei ausgetreten, so dass Grüne und CDU mit je 13 Stimmen gleichauf sind. Monika Stein und Coinneach McCabe aber haben die „Grüne Alternative Liste Freiburg“ aufgemacht.

„Spießbürgerlich, arrogant, abgehoben“ sei die grüne Politik in Freiburg geworden, sagt Stein – „jedenfalls, na ja, großenteils“. Nicht von ungefähr wählten die Abtrünnigen einen Namen, der an grüne Ursprünge erinnert. „Wir versuchen nicht, die ‚wahren‘ Grünen zu sein“, erklärt McCabe. „Aber wir sehen uns in der Tradition der Grünen.“

Die Entscheidung, die Grünen zu verlassen, sei bei beiden „nicht mit einem Knall gekommen“, sagt McCabe. So vieles an der grünen Politik laufe falsch, auch undemokratisch. Beispiel: der „Masterplan“, der Freiburger Sparhaushalt. „Da werden jetzt Kürzungen beschlossen, für die es viel mehr Zeit bräuchte, sie sachlich zu diskutieren. Aber das wird durchgedrückt“, sagt McCabe. Dabei sei der Haushalt längst nicht mehr klamm. Stein zählt auf: das Alkoholverbot in der Innenstadt, die Videoüberwachung in der Straßenbahn, der Umgang mit den Bauwagenbewohnern – „da hat’s geknallt.“

Die Freiburger Grünen sind bass erstaunt über Steins und McCabes Schritt. In wichtigen politischen Fragen habe es doch gar keine Differenzen gegeben. „Ich bin aus allen Wolken gefallen“, erklärt Vize-Fraktionschef Gerhard Frey. Das Alkoholverbot betreffe nur einen kleinen Innenstadtbereich, der „ein richtiger Brennpunkt“ mit viel Gewalt sei. „Da musste einfach etwas passieren.“ Für die Videoüberwachung sei der Gemeinderat gar nicht zuständig. Die zwei hätten doch eine eigene Pressemitteilung dazu machen können.

Er habe erst jüngst eines von vielen Krisengesprächen mit den beiden geführt, erklärt Frey. Dabei sei es nicht um Inhalte gegangen, „sondern um Kommunikation. Sie fühlten sich nicht ernst genommen.“

MacCabe wie Stein erklären selbst, dass es „auch menschlich“ oft gehakt habe, doch seien die atmosphärischen Störungen stets mit Inhalten verbunden gewesen. So mag McCabe es nicht mehr ertragen, wie die SPD ausgegrenzt wird. „Die Grünen und die CDU sitzen nur noch zusammen und entscheiden, wo es langgeht“.

Die kleine grüne Abspaltung ist demnach auch Ausdruck eines etwas größeren Politikwechsels in Freiburg. Und der hat mit dem Riesenkrach um den – am Ende gescheiterten – Verkauf der städtischen Wohnungen zu tun.

So soll Freiburg gemäß der Gemeindeordnung Baden-Württembergs mit wechselnden Mehrheiten regiert werden. Die Dezernate sind auf alle Rathaus-Fraktionen verteilt. Ein SPD-Mann ist nicht nur Sozialdezernent, sondern auch Bürgermeister. Ausgerechnet aber vom geplanten Verkauf der städtischen Wohnungen, mit dem OB Salomon Freiburg auf einen Schlag entschulden wollte, erfuhr die SPD am 1. April 2006 aus der Presse. „Das war ein Tabubruch“, sagt der SPD-Stadtrat Walter Krögner. Seither versteht die SPD sich als Opposition gegenüber einer grün-schwarzen Mehrheit.

Abspalterin Stein ist nun gespannt, „ob uns andere folgen werden“. Die nächsten Wahlen in Freiburg sind im Juni 2009. Die Freiburger Grünen-Bundestagsabgeordnete Kerstin Andreae sagt dazu trocken: „Ich bin mir sehr sicher, dass der Vorfall nicht zur Spaltung der Freiburger Grünen führt.“