Jugendgerichtsexperte über Bilanz der Hessen-CDU: "Koch hat nichts Entscheidendes getan"

Roland Koch behauptet, dass er viel für die Bekämpfung der Jugendkriminalität getan habe. Das stimmt nicht, sagt Frank Weyel, der Landeschef der Deutschen Vereinigung für Jugendgerichte.

Man muss an den Jugendlichen dranbleiben, meint Pädagoge Weyel. Bild: ap

taz: Herr Weyel, vor einem Jahr hat Ministerpräsident Roland Koch mit dem Thema Jugendkriminalität Wahlkampf gemacht - und Stimmung gegen Migranten. Jetzt lobt er sich selbst in der Bild: Bei der Bekämpfung von Jugendkriminalität sei im vergangenen Jahr einiges geschehen. Sehen Sie das auch so?

Frank H. Weyel: Die Landesregierung hat eine zweite Jugendarrestanstalt eröffnet. Eine Arbeitsgruppe aus Praktikern, die in diesem Bereich arbeiten, hat Vorschläge zur Bekämpfung der Jugendkriminalität vorgelegt. Und in Frankfurt, Wiesbaden und Kassel sollen Häuser des Jugendrechts entstehen …

Wurden diese Häuser nicht schon geschaffen? Das behauptet Roland Koch im Bild-Interview.

Nein, es gibt sie noch nicht. Sie sind noch in der Planung. Aber in dem Bereich, der aus unserer Sicht entscheidend ist, ist überhaupt nichts geschehen: Wir müssen an die gewalttätigen Jugendlichen rankommen.

In den Häusern des Jugendrechts soll die Arbeit von Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt zusammengeführt werden. Finden Sie das sinnvoll?

Der Ministerpräsident benutzt diese Häuser vor allem symbolisch, damit er sagen kann: "Wir haben doch etwas getan." Wir brauchen solche Häuser aber nicht.

Warum?

In Frankfurt soll das Haus in Höchst entstehen, einem Stadtteil, der noch nicht einmal besonders belastet ist. Vor Ort sollen Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendamt dann besser zusammenarbeiten. Es wird viel Aufwand betrieben, um an alle Jugendlichen in diesem Stadtteil, die irgendwie straffällig werden, heranzukommen. Aber man tut damit so gut wie nichts gegen die Gewaltkriminalität in Frankfurt allgemein. Wenn man die 300.000 Euro, die das Haus in Frankfurt kosten soll, anders einsetzen würde, würde das viel mehr bewirken.

Wenn Sie entscheiden könnten, wofür würden Sie das Geld einsetzen?

Man muss die ambulanten Maßnahmen für die gewalttätigen Jugendlichen stärken. Also den Täter-Opfer-Ausgleich ausbauen, bei dem die Täter sich mit ihren Opfern auseinandersetzen müssen. Man muss an den Jugendlichen dranbleiben. Mit Streetwork und sozialen Trainingskursen. Das haben wir alles, aber es ist in den Kinderschuhen stecken geblieben. Die Landesregierung hat ihre Mittel für diese Hilfen, die etwa ein Drittel der Gesamtfinanzierung ausgemacht haben, im Jahr 2003 ganz gesperrt. Einzelne Kommunen finanzieren solche Projekte noch, aber das reicht nicht. Die Projekte krepeln vor sich hin. Wir brauchen dafür Landesmittel. Damit könnte man etwas bewirken.

Ein Problem besteht darin, dass es zu lange dauert, bis ein Jugendlicher nach seiner Tat verurteilt wird. Das sollen die Häuser des Rechts ändern. Finden Sie das nicht sinnvoll?

Das wäre gut. Aber viele Fachleute - also Richter, Staatsanwälte und die Jugendgerichtshilfe - sind skeptisch, ob ein Haus des Rechts wirklich zu einer Beschleunigung führen würde. Bei den gefährdeten Jugendlichen sind die Ermittlungen häufig sehr kompliziert und nicht auf einen Stadtteil begrenzt. Statt ein Haus des Rechts zu schaffen, wäre es viel sinnvoller, wenn man vor allem die Staatsanwaltschaft verstärken würde. Da hat das Land etwas angekündigt, aber das ist noch nicht passiert.

INTERVIEW: SABINE AM ORDE

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