Mutmaßlicher Linksterrorist vor Gericht: "Wir verteidigen auf Freispruch"

In Stuttgart-Stammheim beginnt der Prozess gegen Thomas K. Er soll Rädelsführer der Revolutionären Zellen gewesen sein.

Die JVA Stuttgart-Stammheim: Hier muss sich Helmut K. vor Gericht verantworten. Bild: dpa

BERLIN taz Taucht Tarek Mousli, seit dem Jahr 2000 Kronzeuge der Bundesanwaltschaft (BAW) gegen die Revolutionären Zellen (RZ), wieder vor Gericht auf? Das Oberlandesgericht Stuttgart hat den mit neuer Identität unter dem Schutz des Bundeskriminalamtes Lebenden für den 5. Februar geladen. Denn heute beginnt im Stammheimer Gerichtssaal der Prozess gegen Thomas K.

Die BAW wirft dem 60-Jährigen eine seit Mitte der 70er-Jahre bis Anfang der 90er-Jahre durchgehend bestehende "Mitgliedschaft" in den RZ vor, erweitert um den Vorwurf der "Rädelsführerschaft", da Thomas K. "zumindest ab 1983 eine der dominierenden Persönlichkeiten" in den RZ gewesen sein soll.

Die sich als sozialrevolutionäre Stadtguerilla verstehenden RZ verübten bis zu ihrer Auflösung Anfang der 90er-Jahre 186 Anschläge. Höhepunkte ihrer "Flüchtlingskampagne" gegen die damalige Asylpolitik der BRD waren zwei Knieschussattentate auf den Leiter der Berliner Ausländerbehörde, Harald Hollenberg, 1986 und auf den Vorsitzenden Richter am Bundesverwaltungsgericht, Günther Korbmacher, 1987. Thomas K. soll zwar nicht direkt beteiligt gewesen sein, sich aber "nachhaltig" für die Anschläge "eingesetzt" und Bekennerschreiben mit verfasst haben. Beweisen soll dies die Aussage von Tarek Mousli.

Dem inzwischen 49-jährigen Karatelehrer Mousli kam die Polizei im Laufe der 90er-Jahre auf die Spur. Nach einer Untersuchungshaft nahm er 1999 die umstrittene "Kronzeugenregelung" in Anspruch und sagte umfangreich über sich und die angebliche Beteiligung anderer an Aktionen der RZ aus. Er kam mit einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren davon. Fünf andere Angeklagte bekamen vom Berliner Kammergericht 2004 Haftstrafen bis zu über vier Jahren.

Thomas K. war zusammen mit seiner Lebensgefährtin Adrienne G. seit Ende 1987 auf der Flucht. Nach fast 19 Jahren im Untergrund stellten sie sich am 4. Dezember 2006 in Karlsruhe der BAW. Im Gegenzug setzte der Bundesgerichtshof (BGH) die Haftbefehle gegen Auflagen außer Vollzug. Wer sie in den zwei Jahrzehnten unterstützte und wo sie sich aufhielten, verraten die beiden nicht. "Im Gegensatz zu vielen illegalen Migranten ist es uns nicht schlecht gegangen in diesen 19 Jahren", sagte damals Adrienne G. zur taz. Sie wurde inzwischen gegen ein Bekenntnis zur Mitgliedschaft in der "Roten Zora", dem feministischen Flügel der RZ, zu einer zweijährigen Bewährungsstrafe verurteilt.

Bei Thomas K. ist schon der Ort der Anklage strittig. "Die BAW suchte Stuttgart aus symbolischen Gründen aus", sagt seine Verteidigerin Edith Lunnebach. Eigentlich müsste er am Ort der Taten in Berlin oder an seinem damaligen Wohnsitz Hamburg angeklagt werden. Ein weiteres Problem für die Ankläger ist ein Urteil des Berliner Kammergerichts, nach dem man nur Mitglied einer regionalen Gruppe der RZ gewesen sein kann. Doch die BAW kann in ihrer Anklageschrift Thomas K. keiner dieser Gruppen zuordnen und hält ihm eine allgemeine "Mitgliedschaft in den RZ" vor. Nicht einmal ihr Kronzeuge Mousli behauptet, dass Thomas K. Mitglied der Berliner RZ gewesen sei. "Wir werden deshalb auf Freispruch verteidigen", so Anwältin Lunnebach.

Da weder die BAW noch der Angeklagte Interesse an einem langwierigen Verfahren haben, könnten die Stuttgarter Richter zu überraschenden Ergebnissen kommen. Und Mousli bliebe ein letzter öffentlicher Auftritt erspart. CHRISTOPH VILLINGER

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