Zeitungen konfisziert

Bayerische Justiz greift durch: Polizei beschlagnahmt bundesweit hunderte Nachdrucke von Nazi-Hetzblättern

BERLIN taz ■ Der Freistaat hat Ernst gemacht. Bei einer bundesweiten Aktion sind am Wochenende hunderte der umstrittenen Originalnachdrucke von Nazi-Hetzblättern als Beilage der neuen Wochenzeitung Zeitungszeugen beschlagnahmt worden. Alleine in Bayern wurden rund 280 Exemplare sichergestellt. Die Initiative ging vom bayerischen Justizministerium aus. Zudem wird gegen den britischen Herausgeber der Zeitungszeugen, Peter McGee, „wegen Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und Verstoßes gegen das Urheberrechtgesetz“ ermittelt.

Thema der zweiten Ausgabe der Zeitungszeugen ist der Reichstagsbrand vom Februar 1933. Drei Zeitungen lagen dem Mantelteil bei: der sozialdemokratische Vorwärts, die Vossische Zeitung und der Völkische Beobachter inklusive eines Kommentars von Joseph Goebbels. Hinzu kam ein Plakat der NSDPA: „Der Reichstag in Flammen – von Kommunisten in Brand gesetzt“, heißt es darauf.

Dass die Faksimiles lose beiliegen, ist nach Angaben von Bayerns Justizministerin Beate Merk (CSU) ein Hauptgrund für die Beschlagnahmungen. Denn so könnten die Schriften „aus dem Zusammenhang gerissen und von Neonazis missbraucht werden“.

Die Verantwortlichen der Zeitungszeugen wehren sich gegen die Vorwürfe. Der Anwalt des Verlegers McGee geht mit den Vorwürfen gelassen um, da es beim Urheberrecht vorrangig um den Schutz des ökonomischen Wertes eines Werkes gehe: „Dass sich das Ministerium für den Schutz des Urheberpersönlichkeitsrechts der Autoren und Herausgeber, namentlich Joseph Goebbels, einsetzen will, ist unvorstellbar“, sagte der Anwalt zur Süddeutschen Zeitung.

Unterstützung bekommen die Macher, deren Projekt von diversen Wissenschaftlern begleitet wird, von der FDP. Die bayerische FDP-Vorsitzende und frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger sagte dem Spiegel: „Ich sehe keine Gefahr des Missbrauchs der Nachdrucke.“ Käme es zum Verbot, wäre das „sehr schade um das Aufklärungsprojekt“. JÜK