Kurswechsel in der Sozialdemokratie: SPD spekuliert mit Marktkontrolle

Steinbrück und Steinmeier wollen mit Forderungen nach schärferen Regeln für Managergehälter und einer Börsenumsatzsteuer Wahlkampf betreiben. Es fehlen wirksame Konzepte.

Will keine unkontrollierten Finanzgeschäfte mehr: Franz Müntefering. Bild: reuters

Kürzlich trat SPD-Chef Franz Müntefering in Berlin in einem Kino vor Parteigenossen auf. Der SPD-Chef wollte das "Neue Jahrzehnt" skizzieren und der verzagten Basis erzählen, wo es langgeht. Die Zeiten, so Müntefering, als die Leute fragten, ob sie "statt Krankenkassenbeiträgen zahlen zu müssen, nicht lieber Aktien kaufen", sei vorbei. Will sagen: Die Ära des puren Individualismus ist vorbei, kollektive Sicherungssysteme lohnen sich. Das wird ein Teil der sozialdemokratischen Erzählung im Wahljahr.

Die anderen Teile heißen: Schluss mit Deregulierungen. So steht es in einem 18-seitigen Konzept von Frank-Walter Steinmeier und Peer Steinbrück, das detailliert beschreibt, wie die Finanzmärkte kontrolliert werden sollen (www.spd.de). Mit der "Diskreditierung staatlicher Aktivitäten" soll es vorbei sein. Steinmeier und Steinbrück, die zum rechten Flügel der Partei gehören, glauben, dass nur mit Staatseingriffen eine "Legitimationskrise der sozialen Marktwirtschaft" verhindert werden kann.

Die Kernpunkte des Konzepts sind schärfere Regeln für Managergehälter, höhere Eigenkapitalquoten bei Spekulationsgeschäften, eine bessere Bankenaufsicht, ein TÜV für Finanzprodukte und eine Börsenumsatzsteuer.

Die Börsenumsatzsteuer soll 0,5 Prozent betragen, die der Käufer von Aktien an den Fiskus zahlen muss. Dies soll die Gefahr von Spekulationsblasen vermindern. Denn nur wer Aktien oder Wertpapiere oft kauft und verkauft, wird diese Steuer spüren. Die Börsenumsatzsteuer ähnelt der Tobin-Tax, die die Globalisierungskritiker wie Attac schon lange fordern. Es gab die Börsensteuer in Deutschland bis 1990. Sie würde dem Staat Einnahmen von 3 Milliarden Euro jährlich bringen.

Zudem will die SPD durchsetzen, dass es keine unregulierten Finanzgeschäfte geben darf - ein wesentlicher Grund für die Finanzkrise. So sollen Hedgefonds, die Rot-Grün in Deutschland zugelassen hatte, künftig kontrolliert werden. Spekulationsgeschäfte sollen dabei über höhere Eigenkapitalbeteiligungen weniger attraktiv werden. Damit, so Steinmeier und Steinbrück, wäre "der Kasino-Mentalität der Zahn gezogen".

In die gleiche Richtung zielt, dass bei Verbriefungen von Krediten die Banken 20 Prozent selbst behalten müssen. Auch Verbriefungen von Krediten hatte Rot-Grün in Deutschland erst möglich gemacht. Zudem sollen Leerverkäufe von Wertpapieren verboten werden.

Sven Giegold, Attac-Mitbegründer, jetzt Grünen-Kandidat für die Europawahl, attestiert der SPD einen "erstaunlichen Lernprozess" - verglichen mit ihrer bisherigen Regierungspraxis. Im Detail allerdings fehlten wirksame Instrumente, um Steueroasen trockenzulegen oder zu verhindern, dass Ratingagenturen weiter ihre Auftraggeber bewerten dürfen. Und die Börsenumsatzsteuer erfasse Devisenspekulationen nicht.

Die SPD geht mit diesem Konzept in den Koalitionsausschuss, der am Mittwoch tagt. Die Union will die Börsenumsatzsteuer nicht, weil sie den Finanzplatz Deutschland ruiniere. Das allerdings ist ein schwaches Argument - es gibt diese Steuer auch in Großbritannien. Strittig ist auch, wie die Managergehälter reformiert werden. Die Union will, dass diese künftig von den Aktionären festlegt werden. Die SPD hält genau dies für falsch, weil damit kurzfristigem Renditedenken Tür und Tor geöffnet würde.

Wenn die Union bei der konkreten Regulierung weiter mauert, werde die SPD, so Müntefering, mit diesem Thema Wahlkampf machen. Damit ist das Szenario für den Koalitionsgipfel am Mittwoch umrissen.

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