Vater des Volkszählungsurteils

Ernst Benda ist tot. Der Expräsident des Bundesverfassungsgerichts starb mit 84 Jahren

FREIBURG taz ■ Ernst Benda hat in seinem Leben alles erreicht. Er war Abgeordneter, Minister, Verfassungsrichter, Professor, Medienliebling. Unter den konservativen Juristen war er einer der liberalsten und unter den Liberalen einer der konservativsten. Einer der einflussreichsten Juristen der Nachkriegsgeschichte war er sowieso. Gestern ist er im Alter von 84 Jahren gestorben.

Höhepunkt seiner Karriere war sicher die Zeit als Präsident des Bundesverfassungsgerichts. Gewählt wurde er 1971 mit bereits 46 Jahren. Dabei war der evangelische Christ zunächst an betont konservativen Entscheidungen beteiligt. So kippte Karlsruhe 1975 die sozialliberale Fristenregelung beim Schwangerschaftsabbruch ebenso wie 1977 die Kriegsdienstverweigerung per Postkarte. Andererseits gilt das Volkszählungsurteil von 1983, mit dem das Gericht praktisch ein Grundrecht auf Datenschutz schuf, als Bendas liberales Vermächtnis.

Ernst Benda war schon als Berliner Student nach dem Krieg für die CDU aktiv. Ab 1957 vertrat er Berlin im Bundestag. Dort machte er sich 1965 einen Namen, als er 1965 mit einer leidenschaftlichen Rede gegen die Verjährung von NS-Verbrechen stritt. Während der Zeit der Studentenbewegung war er zunächst Staatssekretär im Innenministerium, später dann sogar Innenminister. Er war damit als Hassfigur der APO auch für die Einführung der sogenannten Notstandsgesetze verantwortlich, mit denen Demokratie und Grundrechte im Kriegs- und Spannungsfall eingeschränkt werden können. Mit der Wahl von Willy Brandt zum Kanzler verlor er 1969 sein Amt und wurde innenpolitischer Sprecher der CDU. Ihn und andere Exjungminister nannte man damals die „gefallenen Engel“.

Nach seiner Zeit als Verfassungsrichter begann Benda seine dritte Karriere als Hochschullehrer und wurde Rechtsprofessor in Freiburg. Gerne leitete er auch Kommissionen, Kirchentage, Beiräte und erstattete Gutachten. Er hatte einen großen Namen und pflegte ihn.

So erstellte er 1986 ein Gutachten über die Zulässigkeit von Frauenquoten im öffentlichen Dienst. Benda akzeptierte die Quoten unter der Bedingung, dass dabei immer auch der Einzelfall geprüft werden müsse. Dieser Zusatz wurde später sogar in Gesetze übernommen und von der Frauenbewegung als „Benda-Schwänzchen“ verspottet. Bis letzten Dezember war Benda noch als Vorsitzender des Medienrats Berlin-Brandenburg aktiv. Während der jüngsten Datenschutzskandale sagte er, die Datennutzung durch Unternehmen sei „gefährlicher als alles, was vom Staat ausgeht“.

CHRISTIAN RATH