Computerspiele: 14.000 Jugendliche zocken exzessiv

Laut einer neuen Studie sind 14.000 Neuntklässler süchtig nach Rennern wie "World of Warcraft", 23.000 stark gefährdet. Nun plant Niedersachsen als erstes Bundesland Testkäufe für Killerspiele.

Die tägliche Beschäftigung mit PC-Spielen ist in den vergangenen vier Jahren um 40 Minuten pro Tag gestiegen. Bild: ap

HANNOVER taz Computerspiele machen Jugendliche stärker abhängig als bislang angenommen. Allein unter den Neuntklässlern gibt es in Deutschland 14.000 Jugendliche, die süchtig nach Computerspielen sind, 23.000 aller 15-Jährigen gelten nach der Lesart einer am Montag in Hannover vorstellten Studie des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) als stark suchtgefährdet.

Das geht aus der bislang größten deutschen Jugendstudie zur Nutzung von Computerspielen hervor. Das KFN hat bundesweit fast 45.000 Jugendliche im Alter von 15 Jahren befragt. "Es ist doch absurd", sagte KFN-Direktor Christian Pfeiffer, dass manche Jugendliche "aufs Jahr gerechnet länger Online-Spielen als in der Schule sitzen". Er hält 4,7 Prozent der 15-jährigen Jungs und 0,5 Prozent der gleichaltrigen Mädchen für computerspielsüchtig oder -gefährdet. Insgesamt sollen bis zu 60.000 Jugendliche in Deutschland computerspielabhängig sein.

Jugendliche spielen laut der KFN-Studie heute deutlich länger am Computer als noch im Jahr 2005. Die tägliche Beschäftigung mit PC-Spielen ist in den vergangenen vier Jahren um 40 Minuten pro Tag gestiegen. Am Wochenende saßen die jungen Leute zuletzt sogar durchschnittlich 167 Minuten am PC und spielten - 2005 waren es "nur" 140 Minuten gewesen. Wer spielt, hat kaum noch Zeit für andere Aktivitäten: Nur 5,6 Prozent der Jungs beschäftigen sich nie mit Computerspielen, bei den Mädchen sind es 19,7 Prozent.

Fast jeder sechste Junge daddelt dagegen heute sogar länger als viereinhalb Stunden mit PC-Games. Mädchen spielen deutlich weniger, aber auch bei ihnen haben sich die Zeiten an Schultagen verdreifacht und am Wochenende verdoppelt, fanden die KFN-Forscher heraus.

"Allein durch Computerspiele", sagte Pfeiffer mit Blick auf die 16 Toten von Winnenden, "wird man nicht zum Amokläufer, aber sie sind durchaus ein Risiko." Dauer-Daddeln führe zudem "nicht automatisch zur Abhängigkeit", betonte der Kriminologe. Aber die Beschäftigung mit Online-Rollenspielen verstärke das Risiko, zum Computerspiel-Junkie zu werden.

Das gilt vor allem für das Fantasy-Spiel "World of Warcraft". Das mit 11,5 Millionen Nutzern weltweit meistverkaufte Spiel seines Genres, sei das "Crack-Kokain der Computerspiele", sagte Pfeifer. Da es besonders stark "abhängig" mache, forderte er, die Alterseinstufung von derzeit 12 auf 18 Jahre hinaufzusetzen.

Zusammen mit Niedersachsens Sozialministerin Mechthild Ross-Luttmann (CDU) forderte Pfeiffer auch, den Faktor Abhängigkeitsproblematik in die Spieleprüfung der Unterhaltungssoftware-Selbstkontrolle (USK) der Industrie einfließen zu lassen. Die USK solle zudem auch reine Online-Spiele überprüfen können. "Bislang werden Online-Spiele der USK gar nicht vorgelegt", sagte Ross-Luttmann.

Niedersachsen will zudem als erstes Bundesland minderjährige Testkäufer in die Läden schicken, um verdeckt Killerspiele ab 18 Jahren zu erwerben. "Es ist erschreckend", sagte Sozialministerin Ross-Luttmann, "wie leicht Kinder und Jugendliche an Spiele kommen, die nicht für sie freigegeben sind." Ähnlich wie bei Alkohol-Testkäufen müssten Händler mit Bußgeldern rechnen, wenn sie die Spiele an Kinder und Jugendliche unter der Altersgrenze abgeben, sagte Ross-Luttmann. Möglich seien Summen bis zu 50.000 Euro. Allein der Hinweis auf die Kontrollen werde für Verkäufer schon abschreckend wirken, betonte die Ministerin. Und: "Eigentlich möchte ich ja niemand erwischen."

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