Neonazis terrorisieren Linke im Internet

Dortmunder Neonazis stellen wöchentlich ihre GegnerInnen im Internet an den Pranger. Sie listen Namen, Geburtstag, private Fotos und die Adressen auf. Mit dieser Kampagne haben sie es vor allem auf Schüler und junge Studenten abgesehen

VON SIMON BÜCKLE

„Wenn ich jetzt abends Bahn fahre oder zu Fuß nach Hause gehe, fühle ich mich unsicher – man weiß ja nie, wer da auf einen wartet“, erzählt Michael* aus Dortmund. Er engagiert sich gegen Neonazis, und seit einiger Zeit stehen seine Adresse und private Informationen über ihn und seine Freunde auf einer Naziseite im Internet. „Ich habe jetzt einfach kein gutes Gefühl mehr.“

Seit Jahresbeginn stellen Dortmunder Neonazis auf einer Webseite jede Woche ihre politischen GegnerInnen an den Pranger. „Wir haben sie alle!“, lautet die vollmundige Ankündigung auf der Seite. Dort stehen Name, Geburtsdatum, Fotos, teilweise auch Informationen über den Freundeskreis, häufige Aufenthaltsorte, Telefonnummer und Adresse – nebst hämischen Bemerkungen.

Dass Neonazis Erkenntnisse über Antifaschisten sammeln und auf passwortgeschützten Seiten im Internet austauschen, ist nichts Neues. Die jetzige Seite ist aber frei verfügbar. „Sie nutzen das Netz in jüngster Zeit immer öfter für solche Outing-Kampagnen“, fasst Carola Holzberg, Pressesprecherin des nordrhein-westfälischen Innenministeriums, die Erkenntnisse des Verfassungsschutzes zusammen. Dies sei eine Antwort auf ähnliche linke Aktionen, vermutet Holzberg.

Für die Nazi-Seite aus Dortmund nutzen die Verfasser gezielt die Möglichkeiten des World Wide Web: Viele der Informationen und Fotos stammen aus Onlineplattformen wie studiVZ, wo die Linken ihre Infos selbst veröffentlicht haben. Die Postadressen der Antifaschisten haben die Rechten zudem teilweise mit Google-Maps, einem virtuellen Stadtplan, verbunden.

Die anonymen Initiatoren bezeichnen sich zwar als „Autonome Nationale Utrecht“, es handelt sich jedoch offenbar um Dortmunder Neonazis der freien Kameradschaften – davon gehen Manfred Krüger-Sandkamp, vormals für die Grünen Bezirksvertreter in Dortmund, und Oliver Wilkes vom Bündnis Dortmund gegen Rechts aus. „Diese Gruppen sind gewalttätig und gefährlich. Sie haben sich in Dortmund-Dorstfeld gesammelt und fühlen sich hier sauwohl“, sagt Manfred Krüger-Sandkamp. Von diesem Stadtteil aus wurden in letzter Zeit gewaltsame Angriffe auf alternative Kneipen und Parteibüros durchgeführt.

Mit der Webseite gehe es den Rechten vor allem darum, noch jüngere Antifaschisten abzuschrecken, vermutet Oliver Wilkes. „Leider scheint das zu funktionieren. Viele der Betroffenen haben Angst, bei einer Anzeige noch mehr Angriffsfläche zu bieten.“ Vier Anzeigen liegen der Polizei jedoch mittlerweile vor. Die möglichen Straftatbestände lauten Verleumdung, Bedrohung und die missbräuchliche Verwendung privater Fotos.

Die Linken kritisieren indes die mangelnde Unterstützung des nordrhein-westfälischen Innenministeriums. In einer Stellungnahme des Innenministeriums heißt es beispielsweise, die Aktion sei eine Auseinandersetzung zwischen Rechts- und Linksextremen und in ihrer Form nicht neu. „Für die sind alle Antifaschisten automatisch Linksextreme und diese mit Rechtsextremen grundsätzlich gleichzusetzen“, empört sich Oliver Wilkes vom Bündnis Dortmund gegen Rechts.

Die Staatsanwaltschaft Dortmund steht indes vor dem Problem, die genauen Verantwortlichen auszumachen: Der Server, auf dem die Nazi-Seite liegt, steht wohl in Armenien, und der Besitzer der Domain scheint ein Anwalt mit Sitz in Lichtenstein zu sein. „Das ist ein Riesenproblem, da wir so auf die Unterstützung ausländischer Behörden angewiesen sind“, erklärt Ina Holznagel von der Staatsanwaltschaft Dortmund.

* Name geändert