„Schulen brauchen mehr Freiheiten“

BILDUNGSINVESTITIONEN Mehr Geld führt nicht automatisch zu besseren Schülerleistungen, sagt der Bildungsökonom Wößmann. Wichtig seien Reformen wie die Fusion von Haupt- und Realschule

■ ist Bildungsökonom am ifo-Institut in München. Der 35-Jährige lehrt als Professor für Volkswirtschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität. Foto: Archiv

taz: Herr Wößmann, investiert die Regierung mit ihren Konjunkturmaßnahmen genügend in die Zukunft – also in Bildung und Forschung?

Ludger Wößmann: Sie investiert ein bisschen in die Bildung. Aber gleichzeitig fließt sehr viel Geld in den Straßenbau oder die Abwrackprämie für Altautos. Das mag kurzfristig die Nachfrage beleben. Aber langfristig erhöht das nicht unbedingt das Wirtschaftswachstum.

Im Konjunkturpaket II waren 8,7 Milliarden Euro für die Sanierung von Schulen vorgesehen. Die USA stecken 100 Milliarden Dollar in Bildung und Forschung. Brauchen wir ein Konjunkturpaket III mit dem Schwerpunkt Bildung?

Man muss zwei Dinge auseinanderhalten. Das eine ist die Frage: Wie kann man kurzfristig die Konjunktur stützen. Und die andere ist die nach dem langfristigen Wirtschaftswachstum. Um kurzfristig die Nachfrage anzukurbeln, brauchen wir im Moment noch kein drittes Konjunkturpaket. Denn das letzte greift ja noch nicht vollständig. Aber wenn man in einigen Monaten zu der Überzeugung kommt, dass die bisherigen Schritte nicht ausreichen, sollte man darüber nachdenken, mehr in Bildung und Forschung zu investieren. Das Problem dabei ist nur der deutsche Föderalismus.

Inwiefern?

Der Bund ist für Bildung eigentlich nicht zuständig. Bis die Mittel dennoch in die Länder und in die Kommunen gelangen, liegt so viel Bürokratie und Zeit dazwischen, dass die Maßnahmen nicht schnell genug greifen.

Wohin müssten denn die Milliarden fließen?

Generell gilt, dass es nicht nur darauf ankommt, mehr Geld in das Bildungssystem zu stecken. Genauso wichtig sind Reformen. Eine Ausweitung der Ausgaben führt nicht automatisch zu besseren Schülerleistungen.

Was würde das Bildungssystem verbessern, ohne viel zu kosten?

Die Haupt- und Realschulen zusammenzulegen zum Beispiel. Wichtig wäre aber auch, dass die Schulen und LehrerInnen mehr Autonomie bekommen. Auch bei der Frage, wie sie ihre Ressourcen einsetzen, sollten die Schulen mehr Freiheiten bekommen.

Weshalb?

Man hat das ja gerade beim Konjunkturpaket II wieder gesehen. Da wurde vorgegeben, dass das Geld nur in die Gebäudesanierung gesteckt werden darf. Wesentlich sinnvoller wäre es, den Schulen einen bestimmten Betrag zu geben, über den sie frei verfügen können. Die einen kaufen sich elektronische Tafeln, die zweiten Lehrbücher und die dritten richten sich ein neues Chemielabor ein.

Sanierungen sind oft dringend nötig, der Sanierungsbedarf von Schulen und Unis soll bei 73 Milliarden Euro liegen.

Natürlich ist es richtig, dass viele Schulen saniert werden. Gleichzeitig ist aber auch klar, dass die Schüler dadurch allein nicht mehr lernen.

Der „Aktionsrat Bildung“, dem sie angehören, hat schon vor zwei Jahren rund 30 Milliarden pro Jahr für ein Reformpaket gefordert, unter anderem für mehr Ganztagsschulen und bessere Kindergärten. Ganz ohne Geld geht es also doch nicht.

Der Vorschulbereich ist in der Tat derjenige Teil im Bildungssystem, in dem der Staat mehr investieren sollte. Im internationalen Vergleich geben wir pro Kind relativ wenig im frühkindlichen Bereich aus, relativ viel dagegen für die Hochschulen. Staatliche Investitionen sind aber am effizientesten, je früher sie eingesetzt werden.

Wie wären Milliarden in den Kindergärten richtig angelegt?

Sinnvoll wäre, ein kostenfreies letztes Vorschuljahr einzuführen, vielleicht könnte man sogar die ganze Kindergartenzeit kostenfrei gestalten, zumindest für einkommensschwache Eltern. Genauso wichtig wäre es, die Qualität der Einrichtungen und die Ausbildung der ErzieherInnen zu verbessern – und deren Gehalt zu erhöhen. Aber als Konjunkturmaßnahmen sollte man das nicht betrachten. Dafür dauert die Umsetzung zu lange.

INTERVIEW: WOLF SCHMIDT