Nazi-Museum im Möbelladen

RECHTSEXTREMISMUS In Wolfsburg will ein NPD-Multifunktionär der NS-Organisation „Kraft durch Freude“ gedenken. Die Stadt kann sich nur äußerst schwer dagegen wehren

VON ANDREAS SPEIT
UND DANIEL SCHULZ

Vom Wolfsburger Bahnhof ist der Fußweg zur „Autostadt“ nicht weit. Keine zehn Minuten schon kann man im Erlebnispark die neue Modellpalette des VW-Konzerns bewundern. Ältere Modelle aus der Wehrmachtsproduktion sind vielleicht demnächst in einem Museum zu besichtigen. Statt links müsste der Besucher vom Bahnhof zehn Minuten nach rechts gehen, um „Kübelwagen Typ 82“, „Schwimmwagen Typ 166“ oder „Kommandeurwagen Typ 87“ betrachten zu können. Der Betreiber: Jürgen Rieger – rechtsextremer Rechtsanwalt und Vizechef der NPD.

In der 1938 gegründeten „Stadt des KdF-Wagens bei Fallersleben“ hofft Rieger ein Museum einrichten zu können, um das Tun der NS-Gemeinschaft „Kraft durch Freude“ (KdF) ohne „staatliche Einmischung“ würdigen zu können.

Die KdF war eine NS-Organisation, welche die Freizeit der deutschen Bevölkerung gestalten und die Menschen noch mehr an die Ideologie des Regimes binden sollte. Zu diesem Zweck veranstaltete sie Reisen und unterhielt Ferienanlagen.

„Die Stadt wird alle rechtlichen Mittel ausschöpfen, um das Museum zu verhindern“, versichert Ralf Schmidt, Pressesprecher der Stadt. In der ersten Juliwoche scheiterte die Stadtverwaltung allerdings daran, die Nutzung eines bisher als Möbelhaus genutzten Gebäudes aus baurechtlichen Gründen zu untersagen. Das Oberverwaltungsgericht Lüneburg hob ein entsprechendes Verbot auf.

Oberbürgermeister Rolf Schnellecke erklärte, dass das nicht das Ende des Rechtsstreits bedeute. Der 63-jährige Anwalt Rieger konterte, er sei fest entschlossen, ein „gewerbliches Museum zu eröffnen“.

Gewerbliches Museum – dieses Rechtskonstrukt erschwert ein Verbot des Vorhabens erheblich. Rieger stellt es so dar, als wolle er im „Möbelhaus Alsdorff“ einfach ein neues Geschäft eröffnen. Das kann man ihm in einem Gewerbegebiet, in dem alle Räume als Geschäftsräume ausgewiesen sind, kaum untersagen.

Unklar ist derzeit, ob Rieger das Haus mit angeschlossener Lagerhalle tatsächlich schon gepachtet hat. Der Anwalt behauptet dies zwar, bleibt aber entsprechende Dokumente schuldig und die Stadtverwaltung äußert sich dazu nicht.

Auch die Eigentümerin des Möbelhauses, Rosemarie Alsdorff, schweigt dazu. Sie hatte sich nach eigener Aussage selbst an Jürgen Rieger gewandt, weil sie mit ihrem Geschäft in finanziellen Schwierigkeiten sei und die Stadt ihr nicht geholfen habe. Rund 2 Millionen Euro Pacht wolle sie haben, sagte Alsdorff. Sie sei dankbar, dass der Anwalt sie aus ihrer Not erretten wolle: „Ich hätte ihn küssen können.“

Am 4. Juni gründete Riegers Truppe im Alsdorff’schen Möbelladen einen Verein, der die Idee vorantreiben soll. Etwa 100 NPD-Mitglieder und „Freie Kameradschaft“-Anhänger kamen zu der Veranstaltung. Mehrere Gäste griffen Journalisten an.

Über 20 Kameraden, so NPD-Bundesvorstandsmitglied und Mitinitiator Thomas Wulff, tragen den „Verein für ein KDF-MUSEUM e.V. I.G“. In der Lagerhalle wollen die Neonazis vor allem alte Fahrzeuge ausstellen. Bilder und historische Ölgemälde sollen auch die „sozialen Aktivitäten“ der KdF belegen.

Mit dem Vorhaben wollen sich die Rechtsextremen natürlich zum Gesprächsthema machen. Allerdings steckt auch eine tiefere politische Absicht dahinter, glaubt Jürgen Rostock, der im ehemaligen KdF-Großferienlager Prora ein Dokumentationszentrum leitet: „Den vermeintlich sozialen Schein der Volksgemeinschaft wollen die Rechtsextremen nutzen, um die angeblich guten Seiten des Nationalsozialismus hervorzuheben“, sagt Rostock. Die KdF böte mit ihren damals angebotenen Reisen und ihren Ferienanlagen genau diese Projektionsfläche.