Heftige Streitereien im Kieler Landtag

KOALITIONSENDE SPD und CDU bedenken sich mit Schimpfwörtern und versichern sich: Wir wollen nicht mehr miteinander. Wer wann wie gelogen hat und die Koalition aufs Spiel setzte, bleibt weiter offen

KIEL taz | Die schwarz-rote Koalitionsehe in Kiel ist am Ende, bis zur Unterzeichnung der Scheidungspapiere dauert es aber: Bei der Debatte am Freitag über die Auflösung des Landtags erklärte der SPD-Fraktionschef Ralf Stegner, die Sozialdemokraten würden Neuwahlen nicht blockieren, aber der Auflösung nicht zustimmen.

Bleibt es bei der Abstimmung am Montag dabei, könnte Ministerpräsident Peter Harry Carstensen (CDU) eine fingierte Vertrauensfrage stellen, „verlieren“ und den Landtag auflösen.

Der Schlagabtausch im Parlament verlief heftig: CDU-Fraktionschef Johann Wadephul verglich Stegner mit dem literarischen „Brandstifter“ und appellierte an die SPD-Fraktion, sie solle sich nicht „in Geiselhaft nehmen“ lassen. Stegner konterte, Carstensen und seine CDU hätten mutwillig den Koalitionsvertrag gebrochen. Wadephul warf er „Halbwahrheiten, Verleumdung, Verdrehung“ vor. FDP-Fraktionschef Wolfgang Kubicki sprach von „Schmierentheater“ und konterte einen Zwischenruf Stegners mit: „Selbstgerechter Naseweis!“

Stegner erklärte, seine Partei scheue die Neuwahl nicht, er klebe nicht am Fraktionssessel – „ich will Regierungschef werden“ –, aber den einfachen Weg werde es nicht geben: „Die Sozialdemokraten werden einem Antrag nicht zustimmen, in denen ihnen mangelnde Verlässlichkeit vorgeworfen wird.“ Carstensen habe andere Möglichkeiten, darunter den Rücktritt. Bei der Vertrauensfrage „wird der Ministerpräsident das Vertrauen der SPD nicht erhalten“, sagte er nach der Debatte auf Nachfrage. Da die Grünen, FDP und SSW ihr Misstrauen aussprechen wollen, könnten sich die 30 CDU-Abgeordneten sogar die Enthaltung leisten. Carstensen hatte bisher gesagt, er lehne fiktive Misstrauensvoten statt. Er hat aber auch deutlich gemacht, dass er die Koalition nicht fortsetzen will.

Auslöser der Krise war der Streit darüber, seit wann SPD-Politiker wussten, dass der Chef der HSH Nordbank, Jens Dirk Nonnenmacher, einen Bonus von 2,9 Millionen Euro erhalten soll. Dies versuchte der Landtag in den letzten Tagen aufzuklären. Stegner bekräftigte, die SPD sei nicht beteiligt gewesen, Finanzminister Rainer Wiegard (CDU) widersprach: „Es hat kein Nein gegeben.“ Dies war aber gar nicht abgefragt worden.

Am Ende trat SPD-Innenminister Lothar Hay mit einer persönlichen Erklärung ans Pult und sagte, er habe sein Einvernehmen erteilt.

ESTHER GEISSLINGER