Schwarz-Gelb-Grün im Saarland: Zweifel an Jamaika wachsen

Grünen-Landeschef Ulrich steht unter Druck, weil er für einen FDP-Unternehmer arbeitete. Die Basis ist verärgert.

Hubert Ulrich muss viel Spott für seine Jamaika-Entscheidung einstecken, wie hier auf dem Bundesdelegiertenkongress in Rostock. Bild: ap

Der Beschluss der Saar-Grünen vom 11. Oktober, das Saarland zusammen mit CDU und FDP regieren zu wollen, habe zu "keinen dramatischen Fluchtbewegungen aus der Partei geführt", berichtet die neue Geschäftsführerin der Landtagsfraktion, Claudia Beck. In den zwei Wochen nach dem Parteitag seien 35 Austritte registriert worden. Es habe aber auch zehn Eintritte in die Partei gegeben.

Wohl aber nicht wegen "Jamaika". Martin Dauber aus Blieskastel jedenfalls berichtet, dass in der Barockstadt zwei junge Menschen den Grünen beigetreten seien, weil die Delegierten aus Blieskastel nahezu geschlossen gegen "Jamaika" gestimmt hätten. Und dass sie diese konsequent konträre Haltung der Blieskasteler zur "Jamaika-Linie" von Partei- und Landtagsfraktionschef Hubert Ulrich stark beeindruckt habe.

Die "unglaublich vielen Delegierten aus Saarlouis" - dem Heimatortsverein von Ulrich - macht Walter Neyses aus Dillingen für den Parteitagsbeschluss pro "Jamaika" mit verantwortlich. Neyses trat vergangene Woche aus der Partei aus, auch weil er sich durch die Parteitagsregie in seinem Rederecht beschnitten sah.

Ein schwerer Verlust für die Grünen Saar, denn Neyses verfügt über beste Verbindungen zu den Bürgerinitiativen und war der einzige Grüne im Rat der Stadt. Er bestätigt auf taz-Nachfrage auch die Gerüchte, wonach Ulrich im Vorfeld des Parteitags viele Grüne angerufen und dazu animiert habe, für "Jamaika" die Hand zu heben. "In unserem Ortsverein wurden alle vorher vom Chef instruiert", sagt Neyes.

Seit diesem Wochenende wird Ulrich auch vorgehalten, als Landtagsabgeordneter bis zum 1. Oktober in einer Firma gearbeitet zu haben, die dem Kreisvorsitzenden der Saarbrücker FDP, dem Unternehmer und Multimillionär Hartmut Ostermann, zum großen Teil gehört. Dieser heißt im Saarland auch der "Pate von Saarbrücken".

Ostermann saß bei den Sondierungsgesprächen mehrfach mit am Tisch. Die Grünen in Saarbrücken "wundern" sich nun und wollen eine "parteiinterne Diskussion" darüber initiieren. Und die Grünen im Kreisverband Merzig-Wadern verlangen vom Landesvorstand Aufklärung darüber, ob Ostermann der Partei vielleicht auch Geld gespendet habe.

Man müsse den Einsatz von Ulrich für ein Bündnis mit FDP und CDU nun wohl "in einem ganz anderen Licht sehen", konstatiert SPD-Generalsekretär Reinhard Jost süffisant. Die Linke Saar, der Ulrich "Unzuverlässigkeit" vorgeworfen hatte, spricht von "gekaufter Politik" und fordert seinen Rücktritt. Ulrich weist alle Vorwürfe zurück: "Absolute Luftnummern!" Er habe in der Firma gearbeitet, um sich neben der Politik ein berufliches Standbein zu erhalten. Zudem habe er diese Nebentätigkeit, die ihm 1.500 Euro brutto eingebracht habe, ordnungsgemäß ausgewiesen.

Die Saarbrücker Zeitung hat jetzt auch die Ergebnisse der Sondierungsgespräche noch einmal miteinander vergleichen. Sie kommt dabei zu dem eindeutigen Schluss, dass die Grünen - ganz im Gegensatz zu den Behauptungen von Ulrich - mit SPD und Linken auf vielen Politikfeldern doch sehr viel mehr grüne Programmatik hätten verwirklichen können als jetzt mit CDU und FDP.

Am 2. November beginnen die eigentlichen Koalitionsverhandlungen. Am 15. November soll ein Parteitag der Grünen Saar den Koalitionsvertrag und das Regierungspersonal absegnen. Viele Grüne glauben, dass es dafür dann - anders als auf dem Koalitionsparteitag am 11. Oktober - keine Zweidrittelmehrheit mehr geben wird.

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