Die Piraten segeln in die Flaute

NRW II Die Datenschutzpartei rechnet nicht mehr mit einem Erfolg bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen – und straft ihren Vorsitzenden ab. Auch eine klare Abgrenzung nach rechts bleibt aus

Spitzenkandidat Kern möchte sich für gut sichtbare Dienstnummern auf Polizeiuniformen starkmachen

GELSENKIRCHEN taz | Der Weg in den Düsseldorfer Landtag ist weit: Immer mehr Piraten glauben nicht mehr an einen schnellen Erfolg ihrer Partei schon bei den nordrhein-westfälischen Landtagswahlen im kommenden Mai. „2 Prozent plus x wären ein gutes Ergebnis für uns“, so der Bundesvorsitzende der Datenschutzpartei, Jens Seipenbusch, beim Personalparteitag am Wochenende in Gelsenkirchen zur taz. Doch in NRW gilt die Fünfprozenthürde. Auch der Pressesprecher der nordrhein-westfälischen Piraten, Rainer Klute, will die Frage nach einem Einzug ins Landesparlament nicht mit einem klaren Ja beantworten: „Soll ich jetzt Nein sagen?“, fragt der Softwarearchitekt stattdessen.

Vor der Bundestagswahl hatte Parteichef Seipenbusch noch vom Bundestag geträumt – doch die Partei scheiterte an der Fünfprozenthürde. Bundesweit erreichten die Piraten 2 Prozent, in NRW lagen sie mit 1,7 Prozent noch darunter. Grund dafür dürfte auch das oft unprofessionell auftretende Personal der Piraten sein.

Der amtierende NRW-Landesvorsitzende Bernhard Smolarz etwa wurde bei seiner Kandidatur für die Landesliste von den eigenen Mitgliedern regelrecht vorgeführt: Kein einziges aktuell im Landtag diskutiertes Thema konnte der Landesparteichef auf Nachfrage benennen. Dies sei eine „gemeine offene Frage“, jammerte der 39-jährige Bankangestellte stattdessen. Smolarz sei „ein Problem“, eine „Altlast aus der Gründerzeit der Partei“, so ein Pirat zur taz – und wurde entsprechend abgestraft: Für den Landtag kandidiert der Vorsitzende jetzt auf einem völlig aussichtslosen Platz 25.

Als Spitzenkandidaten nominierten die Piraten im zweiten Anlauf den 37-jährigen Rechtsanwalt Nico Kern aus dem niederrheinischen Viersen. Ein erster Personalparteitag in Düsseldorf war an organisatorischem Chaos gescheitert und musste abgebrochen werden. Platz zwei ging an den 51-jährigen evangelischen Pfarrer Hans Immanuel Herbers aus dem lippischen Bad Salzuflen. Mit der Psychologin Simone Brand findet sich erst auf Platz vier eine Frau. Insgesamt waren unter den 50 Bewerbern um ein Landtagsmandat nur drei weiblich. Trotzdem sah sich eine der Bewerberinnen mit der Nachfrage konfrontiert, wie sie dem Vorwurf entgehen wolle, nur eine „Quotenfrau“ zu sein.

Spitzenkandidat Kern möchte sich im Landtag für die Einführung von gut sichtbaren Dienstnummern auf Polizeiuniformen starkmachen, um willkürlicher Gewalt vorzubeugen. Außerdem fordert der Rechtsanwalt die Vereinfachung von Bürgerbegehren. Der Theologe Herbers, der den Parteitag rhetorisch dominierte, ging dagegen als einziger Kandidat den politischen Gegner frontal an und kritisierte besonders die FDP: Deren Landesinnenminister Ingo Wolf stehe für den Überwachungsstaat, während Vizeministerpräsident Andreas Pinkwart als „Hochschulabbauminister“ amtiere.

Dennoch blieb das inhaltliche Profil der Partei schwammig. Zwar gingen viele Bewerber auf die Bildungspolitik ein und forderten ein Verbot von Studiengebühren. Doch selbst die Frage, ob sich die Partei auf „piratige“ Themen wie die Vorratsdatenspeicherung oder Internetsperren konzentrieren oder ihr Spektrum öffnen solle, blieb umstritten. Kein Thema war auch die nötige Abgrenzung nach rechts. Im vergangenen Sommer hatte der Piraten-Funktionär Bodo Thiesen den Holocaust relativiert, im September folgte ein Interview, das der stellvertretende Bundesparteichef Andreas Popp der Wochenzeitung Junge Freiheit gab. Popp rechtfertigte sich später, er habe „das rechtslastige Blatt“ zuvor nicht gekannt und den Begriff in keiner Internetsuchmaschine eingegeben.

„Das Programm ist wohl noch nicht fertig“, sagt der Bundesvorsitzende Seipenbusch dazu. Ein entsprechender Programmparteitag solle im Januar folgen: „Dann kommen wir wieder in die Medien.“ ANDREAS WYPUTTA