Hamburgs Schulsenatorin über Volksbegehren: "Da sind Ängste im Spiel"

184.000 Hamburger unterstützen ein Volksbegehren gegen die 6-jährige Primarschule. Die grüne Schulsenatorin Christa Goetsch hält an dem Projekt fest.

"Und unsere Stadt braucht dringend ein besseres Bildungssystem": Christa Goetsch. Bild: dpa

taz: Frau Goetsch, in Hamburg haben vor einer Woche die UnterstützerInnen des Volksbegehrens gegen die Primarschule 184.000 Unterschriften gesammelt. Da ist der Schritt zum erfolgreichen Volksentscheid nicht mehr weit. Ist die Reform noch durchführbar?

Christa Goetsch: Ja. Diejenigen, die ein Volksbegehren unterschreiben, wünschen zunächst, dass es einen Volksentscheid geben soll. Der Volksentscheid selbst hat aber noch nicht stattgefunden. Aber sicher lässt uns die große Zahl der Unterschriften nicht unberührt. Wir, CDU und Grüne, werden jetzt Gespräche führen. Dabei ist eines nicht verhandelbar: die Primarschule. Das längere gemeinsame Lernen steht nicht zur Disposition. Das ist ein Kernprojekt unseres Regierungsbündnisses. Die von uns auf den Weg gebrachte neue Lernkultur, die pädagogischen Innovationen und die daran anschließenden zwei Wege zum Abitur führen zu mehr Gerechtigkeit und mehr Leistung. Und unsere Stadt braucht dringend ein besseres Bildungssystem.

Was ist denn verhandelbar?

ist zweite Bürgermeisterin und Senatorin für Schule, Berufs- und Weiterbildung in Hamburg. Seit 1995 ist sie Mitglied der Bündnisgrünen. 2002 wurde sie grüne Fraktionschefin in der Bürgerschaft.

Umsetzung und Ausgestaltung der Reform. Viele haben unterschrieben, obwohl sie nicht grundsätzlich gegen längeres gemeinsames Lernen sind. Die zum Beispiel Ängste haben, weil sie nicht wissen, wie im neuen System die Elternbeteiligung bei der Schulformwahl ausgestaltet wird.

Haben Sie Fehler gemacht? Etwa den Unmut über die Abschaffung des jetzigen Elternwahlrechts unterschätzt?

Wir haben nicht ausreichend klar gemacht, was geplant ist. Es gibt neue Formen der Leistungsrückmeldung bis einschließlich Klasse 6. Eltern werden regelmäßig über Gespräche einbezogen. Die Frage des Elternwahlrechts ist sehr emotionalisiert worden, obwohl auch bisher die Schule nach der 6. Klasse nach Leistung entscheidet.

Eltern wollen einfach weiter entscheiden dürfen, auf welche Schule ihr Kind geht.

Das sind alles Themen, die wir jetzt im Moderationsprozess erörtern werden.

Der Volksentscheid käme im Sommer 2010, kurz bevor die Reform starten soll. Das ist für die Schulen eine unhaltbare Lage. Sie wissen nicht, was kommt.

Es wird sehr deutlich sichtbar, was kommt. Schon morgen wird in der Schuldeputation über die künftigen Schulstandorte entschieden. Wir werden in den nächsten Wochen die Bildungspläne, die Stundentafeln und die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen Punkt für Punkt vorstellen. Bis zur Anmelderunde im Februar werden die Eltern wissen, an welcher Schule welche Angebote bestehen, beispielsweise Französisch ab Klasse 5.

Müsste man nicht das alles stoppen?

Nein. Die Planungen gehen normal weiter. Wir haben die Schulen in einem beispiellosen Beteiligungsprozess einbezogen. Es wäre verantwortungslos, das abzubrechen.

Aber wenn der Volksentscheid erfolgreich ist, müssen Sie das tun.

Eine Mehrheit in Hamburg ist für das längere gemeinsame Lernen, das haben Umfragen ergeben. Wichtig ist, dass jetzt alle Beteiligten zu Wort kommen. Bis jetzt, während des Volksbegehrens, kamen die Gegner zum Zug, das sind, hochgerechnet, 14 Prozent der Wahlberechtigten. Wir bekommen jetzt sehr viele Rückmeldungen von Menschen, die sagen, jetzt müssen wir deutlich machen, was für die Reform spricht.

Auch ihr Koalitionspartner, der CDU-Bürgermeister Ole von Beust, hat sich auch erneut zur Primarschule bekannt. Trotzdem: Wenn Sie den Volksentscheid verlieren, beenden die Grünen dann die Koalition?

Erst mal langsam. Wir sind jetzt an dem Punkt, wo das Volksbegehren erfolgreich war. Wir werden unter Moderation von Michael Otto, der ein kluger, angesehener Hamburger ist, Gespräche mit allen Beteiligten führen. Dazu gehört die Volksinitiative, aber auch die Hamburger Handwerkskammer oder der Paritätische Wohlfahrtsverband, die sich für längeres gemeinsames Lernen aussprechen. Wir werden alle wichtigen Gruppen einbeziehen und hoffen, dass wir zu einer Lösung kommen.

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