WG als registrierte Partnerschaft

FAMILIEN Experten wollen eine Förderung alternativer Familienformen wie Senioren-WGs und Alleinerziehenden-Netzwerke. Auch müssten Kommunen stärker gestützt werden

Der Staat soll alle „kleinen Lebenskreise“ fördern, in denen Fürsorge geleistet wird

VON KARIN SCHÄDLER

Eine Expertenkommission der Robert Bosch Stiftung hat die gegenwärtige Familienpolitik Ursula von der Leyens (CDU) kritisiert. Zu viele Entscheidungen würden „von oben“ gesteuert, sagte der Vorsitzende der Kommission, der frühere sächsische Ministerpräsident Kurt Biedenkopf (CDU) am Freitag. „Die Möglichkeit für den Einzelnen, Verantwortung zu übernehmen, schrumpft.“

In einem neuen Gutachten fordern Biedenkopf, der Familienforscher Hans Bertram und die Journalistin Elisabeth Niejahr einen grundlegenden Wandel. Familienpolitik müsse künftig auf lokaler Ebene gemacht werden und nicht mehr so stark vom Bund aus gesteuert werden. Zudem sollten nicht nur traditionelle Familien, sondern auch alternative Formen des Zusammenlebens vom Staat gefördert werden, wenn sie dieselben Fürsorge-Aufgaben übernehmen. „Die Familie muss sich neu erfinden“, betonte Biedenkopf.

Die Experten kommen in dem Gutachten zu dem Ergebnis, dass viele Familien ihre traditionellen Aufgaben nicht mehr erfüllen können. „Das ist vor allem die Aufgabe, dauerhaft für andere zu sorgen“, sagte Bertram, Soziologe an der Humboldt-Universität in Berlin. Andererseits, so Biedenkopf, gebe es eine Vielzahl „kleiner Lebenskreise“, die solche Fürsorgeaufgaben übernähmen. Dazu zählen der Studie zufolge Seniorenwohngemeinschaften, Mehrgenerationenhäuser, Netzwerke Alleinerziehender, Stadtteilmütter und Familienpaten. „Alle, die füreinander Verantwortung übernehmen, müssten unterstützt werden“, sagte Niejahr.

Die Expertin betonte, dass eine „eingetragene Partnerschaft“ nicht nur in einer Liebesbeziehung sinnvoll sei. „Das könnte auch ein Modell für mehrere Menschen sein, die füreinander einstehen und sorgen wollen“, sagte Niejahr. Die Vorschläge der Kommission entsprächen einer schwarz-grünen Koalition. „Das Konservative daran ist das Eintreten für Bindung, das Grüne ist die etwas andere Definition von Familie.“

Andere Formen des Zusammenlebens würden auch aus wirtschaftlichen Gründen unabdingbar, sagte Biedenkopf. „Allein zu leben ist die teuerste Form des Wohnens.“

Die Familienpolitik nicht so stark vom Bund aus zu steuern, sei unter anderem deshalb wichtig, weil es enorme Unterschiede zwischen verschiedenen Kommunen gebe. Die Geburtenrate sei selbst in einem geburtenreichen Bundesland wie Baden-Württemberg regional sehr unterschiedlich, sagte Bertram. In Heidelberg lag sie 2007 nach Zahlen des Statistischen Landesamts Baden-Württemberg bei 0,95 Kindern pro Frau, im Landkreis Tuttlingen im Schwarzwald bei 1,55 Kindern. Eine passgenaue Familienpolitik könne nur auf lokaler Ebene gemacht werden, sagte Bertram. Der Bund solle den Kommunen daher vor allem auch finanziell mehr Freiraum lassen, lautete eine der Hauptforderungen aus dem Gutachten der Experten.