Kinderlose Männer: "Männer rutschen aus dem Blick"

Mehr Männer als Frauen sind kinderlos. Die Politik ignoriert das, weil sie keinen Mumm hat, die Männerrolle ernsthaft zu verändern, meint Väterexperte Ralf Ruhl.

Die Männerrolle wird nicht in Frage gestellt. Bild: ap

taz: Immer weniger Frauen bekommen Kinder, meldete kürzlich das statistische Bundesamt. Die Zahl der kinderlosen Männer, die laut DIW sogar noch höher liegt, hat es dagegen nicht erhoben. Ist das mehr als ein Statistik-Problem?

Ralf Ruhl: Das ist politisch gewollt. Wenn die Politik diese Zahlen hätte haben wollen, hätte sie das Amt anweisen können. Das ist das Gegenteil von Gender Mainstreaming.

Wer hat da so finstere Absichten?

Die familienpolitische Debatte in Deutschland ist immer noch eine Frauendebatte. Frauen wollen Daten über Frauen erheben. Und die Männer in der Politik sind froh, wenn das Verhalten von Männern nicht in Frage gestellt wird. Es ist ein unseliges Zusammentreffen von traditionellem Feminismus und konservativer Männlichkeit.

Ralf Ruhl ist 53 und Redakteur bei der Familienzeitschrift "Spielen und Lernen". Daneben betreut er die Väter-Internetseite väterzeit.de. Er hat zwei Kinder und ein Jahr Elternzeit genommen.

Mittlerweile seien 21 Prozent der Frauen zwischen 40 und 45 Jahren kinderlos, so das Statistische Bundesamt Anfang der Woche. Gegen die frauenzentrierte Sichtweise wandte sich schon 2003 das DIW. Dort wurde erhoben, dass in dieser Altersgruppe fast 30 Prozent der Männer kinderlos ist. Auch in höreren Altersgruppen bleibt die Differenz groß: Im Alter zwischen 45 und 50 Jahren waren immer noch 26 Prozent der Männer, aber nur 13 Prozent der Frauen kinderlos. Die Differenz kommt durch eine Art zeitlich versetztes Haremsprinzip zustande: manche Männer gründen mit mehreren Frauen nacheinander Familien, während andere gänzlich kinderlos bleiben.

Feminstinnen ignorieren männliche Defizite? Na sowas.

Doch, die traditionelle Frauenpolitik adressiert die Männer einfach nicht. Stattdessen verteidigen sich Frauen, die eher "männlich" leben, also Karriere anstreben und sich über den Beruf identifizieren, nun gegenüber den Erwartungen, sie hätten doch auch Mütter zu sein. Die Männer rutschen auch ihnen dabei aus dem Blick.

Was würde es bringen, die männliche Kinderlosigkeit zu thematisieren?

Es würde auffallen, dass heutzutage zwar Frauen in traditionelle Männerrollen agieren und Karriere machen. Aber umgekehrt ist nichts passiert. Es gibt kein positives Rollenmodell für den Hausmann. Bildlich gesprochen: Frauen tragen Hosen aber Männer tragen keine Röcke. Wenn immer mehr Menschen in dieser eingeschränkten Weise "männlich" leben, haben weniger Menschen Interesse an Kindern. Das könnte Familienpolitik auffangen, indem sie die Elternschaft beider Geschlechter stärker unterstützt.

Es gibt die Vätermonate.

Zwei Monate sind schön, ändern aber nichts am grundsätzlichen Abbau des Sozialstaats. Die Leute haben immer weniger feste Jobs. Kinder brauchen aber Stabilität. Wenn die Politik den mobilen flexiblen Menschen haben will, bekommt sie weniger Kinder. Es sind ja nicht umsonst die meisten kinderlosen Männer unter den FDP-Anhängern zu finden. Diesen Zusammenhang leugnet die Politik.

Gibt es auch ein Gefühl, dass man als Mann ja viel Zeit hat und deshalb den Kinderwunsch noch weiter aufschiebt als Frauen?

Ja, aber das ist eine Illusion. Studien zeigen ja, dass Männer ab 45 in der Regel auch nicht mehr Vater werden. Wenn die Besuch von Familien mit Kindern bekommen und dann mal mit den 2-Jährigen im Garten toben, merken sie, wie es im Kreuz zieht und wie anstrengend das ist. Dann denken sie oft: Ach, eigentlich leben wir doch so auch ganz schön. Der Kinderwunsch vergeht dann quasi.

Frauen wird der Kinderwunsch gesellschaftlich sehr nahe gelegt, Männern eher nicht so direkt. Ist es deshalb nicht plausibel, dass Männer öfter kinderlos sind als Frauen?

Ich glaube, dass individuelle Faktoren wichtiger sind. Die einschlägigen Studien sagen: Männer mit einer glücklichen Kindheit und einer guten Beziehung zum Vater, der sie geschützt hat, entwickeln öfter einen Kinderwunsch. Der zweite Faktor ist, dass man Kinder im Umfeld unmittelbar erlebt. Kinder werben ganz von allein für sich.

Wenn man nun davon ausgeht, dass die Politik nicht in der Lage ist, ein Arbeitnehmerparadies zu schaffen - was könnte sie denn tun, damit Männer ihre Kinderwünsche realisieren können?

Sie müsste sich mehr an Kindern orientieren. Also möglich machen, dass Arbeit eher auch mal zu Hause stattfinden kann. Das A und O ist natürlich eine gute Kinderbetreuung. Ich kann weit weg arbeiten, wenn ich weiß, mein Kind ist gut betreut. Mit Betonung auf gut. In Verwahranstalten mit unterbezahlten und wenig qualifizierten BetreuerInnen möchte ich mein Kind nicht lassen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.