Diskussion über Zwang zur Entscheidung

TAG DER ORGANSPENDE CDU und SPD plädieren für die Pflicht zur Entscheidung, die Grünen sind dagegen. Nicht die Spendebereitschaft sei das Problem, sondern die mangelhafte Koordination der Organspenden

VON MARTIN RANK

BERLIN taz | Alle acht Stunden stirbt in Deutschland ein Patient, weil er vergebens auf ein Spenderorgan gewartet hat. Dabei wurden im vergangenen Jahr so viele Organe gespendet wie noch nie, knapp 1.300. Doch warten noch immer fast zehnmal so viele Menschen auf ein Organ. Zum heutigen Tag der Organspende diskutieren Politik, Ärzte und Organisationen darüber, wie mehr Menschenleben gerettet werden können. Noch in diesem Jahr könnte das Transplantationsgesetz novelliert werden. Einig sind sich alle darüber, das mehr Menschenleben gerettet werden müssen. Wie das gehen soll, ist aber umstritten.

Ziel müsse es sein, dass möglichst viele Bürger ihre Bereitschaft zu einer Organ- und einer Gewebespende erklärten, forderte die Bundesärztekammer auf dem Ärztetag in Kiel. Ginge es nach ihr, könnten Organe von Verstorbenen künftig entnommen werden, sofern zu Lebzeiten nicht eindeutig widersprochen worden sei. Läge keine Erklärung vor, würden Angehörige einbezogen, die damit die Entnahme letztlich stoppen könnten, falls der Verstorbene sich zu Lebzeiten ablehnend geäußert habe. Die Ärzte nennen das eine „erweiterte Widerspruchslösung“.

Die sogenannte Entscheidungslösung forderte hingegen SPD-Fraktionschef Frank-Walter Steinmeier. Demnach würde jeder Bürger einmal im Leben zur Spendebereitschaft gefragt werden. Ähnlich sieht es auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU). Bei der Entscheidungslösung würde auf einem Dokument wie dem Personalausweis vermerkt werden, ob man Organspender ist oder nicht.

Als „Vorgehen mit der Holzhammermethode“ bezeichnete hingegen Elisabeth Scharfenberg, pflegepolitische Sprecherin der Grünen, diese Vorschläge. Sie will an der jetzigen Lösung festhalten, wonach in der Regel nur dann Organe entnommen werden, wenn ein Spendeausweis vorliegt. „Es muss die Freiheit geben, sich nicht zu entscheiden“, sagte sie der taz. Nicht die Spendebereitschaft, sondern die Koordination der Spenden sei das größte Problem. „Oft funktionieren die Absprachen zwischen den Explantationsteams, die die Organe entnehmen, und den Kliniken nicht richtig“, sagte Schargenberg und forderte eine bessere Ärzteausbildung. „Sie sind oft überfordert, wenn sie mit Hinterbliebenen sprechen müssen. Das Thema wird gemieden, um es für die Familie nicht noch schwerer zu machen.“