Urteil zu 1-Euro-Jobs: Missbrauch eingeschränkt

Wenn Jobcenter rechtswidrige 1-Euro-Jobs vermitteln, können Betroffene mehr Geld fordern. Und zwar von der Behörde, urteilte das Bundessozialgericht.

Ihrer Würde oft beraubt: 1-Euro-Jobber. Bild: ap

KASSEL epd | Das Bundessozialgericht in Kassel hat ein Signal gegen den Missbrauch von 1-Euro-Jobs gesetzt. Wenn Jobcenter rechtswidrige 1-Euro-Jobs vermitteln, können Arbeitslosengeld-II-Empfänger mehr Geld für ihre Arbeit fordern, entschied das Gericht am Samstag. Der 4. Senat stellte damit klar, dass grundsätzlich die Behörde und nicht der Arbeitgeber für mögliche zusätzliche Zahlungen an 1-Euro-Jobber aufkommen muss (Az.: B 4 AS 1/10 R).

Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung. Damit sei es für Arbeitslose künftig leichter, bei rechtswidrigen 1-Euro-Jobs zumindest den ortsüblichen Lohn vom Jobcenter zu verlangen, sagte DGB-Jurist Max Eppelein.

Im konkreten Fall wurde die Klägerin Andrea Scott, eine Hartz-IV-Bezieherin in Karlsruhe, 2005 von ihrem Jobcenter aufgefordert, sich beim Kreisverband Karlsruhe-Stadt der Arbeiterwohlfahrt (AWO) zu melden, wo sie einen 1-Euro-Job mit 20 Stunden pro Woche als Reinigungskraft antrat. Mit der Mehraufwandsentschädigung von zwei Euro pro Stunde gab sich Scott aber nicht zufrieden. "Ich habe genauso geputzt wie andere Kolleginnen auch", sagte sie. Eppelein: "Der 1-Euro-Job war damit rechtswidrig."

Laut Gesetz müssen 1-Euro-Jobs "zusätzlich" und im öffentlichen Interesse sein, das heißt, mit ihnen dürfen keine regulären sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ersetzt werden. "Die Arbeiten bei der AWO waren aber nicht zusätzlich", sagte Eppelein. Scott müsse daher bis zu 876 Euro monatlich erhalten wie die anderen tariflich bezahlten Reinigungskräfte.

Die AWO argumentierte, dass gar keine Stelle abgebaut worden sei, nur weil 1-Euro-Jobber eingesetzt wurden. 1-Euro-Jobs seien auch nicht als Arbeitsverhältnis zu werten. Daher gebe es keinen Arbeitsvertrag, der die AWO zur Zahlung verpflichte. Der 4. Senat des Bundessozialgerichts bestätigte diese Auffassung. Die AWO sei lediglich "Verwaltungshelfer" des Jobcenters gewesen. Das Jobcenter sei allein für die Eingliederungsleistungen verantwortlich. Vermittle die Behörde rechtswidrige 1-Euro-Jobs, müsse sie folglich an den Arbeitslosen Ersatz für die geleistete Arbeit zahlen.

Ob im konkreten Fall Scotts 1-Euro-Job "zusätzliche" Arbeiten umfasste, die reguläre Reinigungskräfte nicht ausüben, ist vom Landessozialgericht Baden-Württemberg nicht festgestellt worden. Das Bundessozialgericht verwies das Verfahren zur Klärung zurück.

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