„Am Anfang war ich blauäugig“

PIRATEN Der Münsteraner Pirat Pascal Powroznik über seine Rolle als Einzelkämpfer im Stadtrat, Grabenkämpfe und Tipps für seine frisch gewählten Parteifreunde in Berlin

■ ist 28 und einer von zwei Stadträten der Piraten in NRW. Er studiert Lehramt mit den Fächern Sozialwissenschaften, Informatik und Medienpädagogik.

INTERVIEW ANDREAS WYPUTTA

taz: Herr Powroznik, Sie sind seit 2010 Ratsherr in Münster. Die Kommunalwahl war aber doch 2009?

Pascal Powroznik: Ja. Ich habe mein Mandat von meinem Vorgänger Marco Langenfeld übernommen, der Münster aus beruflichen Gründen verlassen hat.

Klingt nicht sehr professionell. Hat es Sie geärgert, dass Ihr Vorgänger so schnell hingeworfen hat?

Er hat nicht resigniert, es war eine persönliche Entscheidung, die nicht im politischen Feld getroffen wurde. Ein Sitz im Stadtrat ist nun einmal ein Ehrenamt. Auch bei mir kann ein Umzug anstehen, wenn ich mein Studium beende oder sich meine Familiensituation ändert.

In Berlin sind die Piraten jetzt erstmals in einem Landesparlament vertreten. Sie selbst wurden direkt in die schwierigen Haushaltsberatungen hineingeworfen. Was raten Sie Ihren Parteifreunden? Wie haben Sie sich eingearbeitet?

Ich habe versucht, einen Draht zu den anderen Parteien aufzubauen. Die Kommunikation mit den anderen und der Stadtverwaltung war aber nicht immer einfach. Am Anfang war ich blauäugig: Von den Grabenkämpfen zwischen den Parteien hatte ich keine Vorstellung.

Inwiefern?

Zu unseren Piraten-Stammtischen sind selbstverständlich Mitglieder anderer Parteien eingeladen – und diese Offenheit hatte ich auch von allen anderen erwartet. Deshalb habe ich versucht, die innerparteiliche Meinungsbildung der anderen mitzubekommen und an deren Haushaltsklausuren teilzunehmen. Dass dies nicht üblich ist, war mir gar nicht klar. Ich habe da ein anderes Verständnis von Politik. Geklappt hat’s zuerst bei den Grünen und Linken, dann auch bei der Unabhängigen Wählergemeinschaft (UWG) und der ÖDP. Zum Schluss gab es auch Gespräche mit SPD und CDU.

Mit welchem Erfolg?

Ich habe mich unter anderem dafür eingesetzt, dass der Schuletat nicht zusammengestrichen wird – das wurde er auch nicht, obwohl es schon von Schwarz-Rot vereinbart war. Auch den Bürgerhaushalt, bei dem die Münsteraner selbst Vorschläge machen können, wofür Geld ausgegeben und wo gespart wird, unterstütze ich voll. Allerdings bin ich der einzige Pirat unter 81 Ratsmitgliedern – in den Ausschüssen habe ich als Fraktionsloser leider kein Stimmrecht.

Im Wahlkampf haben die Piraten freien Internetzugang gefordert und vor Videoüberwachung gewarnt.

Freifunk, also Internet für alle, setzt vor allem auf das bürgerschaftliche Engagement: Wir appellieren an alle, ihr WLAN passwortfrei zur Verfügung zu stellen, sodass jeder immer überall ins Internet kann – denn das Grundrecht auf freie Kommunikation und Information ist eine Kernforderung der Piraten. Außerdem lassen wir gerade prüfen, ob auf städtischen Gebäuden oder an Bushaltestellen WLAN-Antennen installiert werden können.

Und wie sieht es mit der Videoüberwachung aus?

Die gehörte im ersten Jahr nicht zu meinem politischen Alltag. Wenn Privatfirmen nicht nur ihr Gelände, sondern auch den öffentlichen Raum davor überwachen, halte ich das für ein Problem – aber so etwas wurde bis heute nicht im Rat besprochen, das ist Aufgabe des Ordnungsamts.

Wo stehen Sie in der Energiepolitik und in der Sozialpolitik?

In der Energiepolitik diskutiert der Rat gerade, ob die Stadtwerke bis 2020 keinen Atomstrom mehr verkaufen sollen und ob bis 2015 ein Betrieb aller städtischen Gebäude mit Ökostrom möglich ist; Letzteres ist ein Vorschlag aus unserem ersten Bürgerhaushalt. Ich habe damit kein Problem, eine Umsetzung ist wünschenswert. Allerdings muss zunächst geprüft werden, ob das überhaupt möglich ist. Wir Piraten wollen uns nicht wie andere Parteien mit gut klingenden Forderungen profilieren, die hinterher gar nicht umsetzbar sind.

Und die Sozialpolitik?

War bisher nicht mein Steckenpferd. Auch die anderen Parteien haben da ihre Fachleute. Im Rat bin ich nun einmal Einzelkämpfer.

Das könnte sich ändern: Umfragen sehen die Piraten bei 8 Prozent.

Die Umfragen hören sich gut an. Bis 2014 ist es aber noch lang. Ob ich bei der nächsten Kommunalwahl antreten werde, wird von meiner persönlichen Situation abhängen. Es wird sich zeigen, ob bis dahin unsere Themen und die neue Art und Weise von Politik von der Parteienlandschaft aufgegriffen worden sind und auch glaubhaft vertreten werden. Ich bin mir aber sicher: Wenn die Piraten in Münster antreten, dann werden sie als Fraktion in den Rat einziehen.