Kabinett beschließt Pflegezuschuss: „Pflege-Bahr“ wird zerpflückt

Das Kabinett will den 5-Euro-Pflegezuschuss. Für die Opposition „Klientelpolitik“. Sozialverbände zweifeln, dass Geringverdiener sich die Privatvorsoge überhaupt leisten können.

Überzeugt hat er nicht wirklich viele Leute: Gesundheitsminister Bahr (FDP). Bild: reuters

BERLIN taz | Das Bundeskabinett hat am Mittwoch die staatliche Förderung privater Pflegevorsorge beschlossen. Ab 2013 will die schwarz-gelbe Regierung dazu private Zusatzversicherungen mit 5 Euro pro Monat bezuschussen. Ziel sei, in Ergänzung zur gesetzlichen Pflegeversicherung das zunehmende Pflegerisiko im Alter „abzumildern“, sagte der Bundesgesundheitsminister Daniel Bahr (FDP). Insgesamt sind für den Pflegezuschuss 100 Millionen Euro im Bundeshaushalt 2013 eingeplant. Das reicht für etwa 1,7 Millionen Verträge.

Gefördert wird, wer bei einer Versicherung seiner Wahl einen Vertrag über ein „Pflege-Tagegeld“ abschließt und hierzu mindestens 10 Euro pro Monat selbst einsetzt. Außerdem muss der Versicherungsvertrag gewährleisten, dass später in der höchsten Pflegestufe III mindestens 600 Euro monatlich als Unterstützung ausgezahlt werden. Bereits bestehende Pflege-Zusatzpolicen (etwa 1,8 Millionen Verträge) sind von der Förderung ausgeschlossen. Es handelt sich, anders als bei der Riester-Rente, nicht um steuerliche Vorteile, sondern direkte Zulagen. Die kosten den Bund zwar mehr, sind aber laut Bahr die einzige Garantie, dass auch Geringverdiener, die steuerlich nichts absetzen können, davon profitieren.

Sozialverbände und die Opposition bezweifeln, dass Menschen mit kleinen Einkommen sich die Privatvorsorge werden leisten können. Sie werfen Bahr Klientelpolitik zugunsten der Privatassekuranzen vor. Der PKV-Verband hat errechnet, dass Männer, die heute 40 Jahre alt sind, monatlich etwa 22,50 Euro zahlen müssten, um später auf die Summe von 600 Euro zu kommen – Frauen sogar 34,70 Euro). Für 50-jährige Männer erhöhte sich der Monatsbeitrag auf 37 Euro, bei Frauen auf 57 Euro.

Doch selbst wer das bezahlen kann, ist so nicht wirklich abgesichert im Pflegefall: Ein Heimplatz kostet mindestens 3.000 Euro – die gesetzliche Pflegeversicherung zahlt in der höchsten Pflegestufe III nur 1.550 Euro. Auch kündigte der PKV-Verband bereits an, dass die Versicherungstarife künftig höher liegen dürften als bisher. Der Grund: Die Regierung schreibt in ihrem Gesetzentwurf fest, dass die Versicherungen – anders als bisher – keinen Bewerber mehr aufgrund gesundheitlicher Risiken ablehnen dürfen. Auch dürfen sie keine Risikoprämien verlangen.

Versicherungswirtschaft reagiert mit Unverständnis

Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) reagierte gegenüber der taz mit Unverständnis: „Im Extremfall werden die geförderten Produkte so teuer, dass sich nur noch diejenigen versichern, bei denen ein hohes Risiko der Pflegebedürftigkeit vorliegt. Ob unter diesen Voraussetzungen überhaupt ein Markt mit geförderten Vorsorgeprodukten entstehen kann, ist zweifelhaft.“

Für Menschen, die schon jetzt pflegebedürftig sind und Geld brauchen, lohnt sich ein Vertragsabschluss überhaupt nicht. Denn vereinbart hat die Regierung eine Karenzzeit: Erst fünf Jahre nach Einzahlungsbeginn können Leistungen in Anspruch genommen werden. Stirbt der Versicherte, ohne Pflegefall geworden zu sein, gehen seine angesparten Beiträge nicht an seine Erben, sondern an die Versichertengemeinschaft über.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.