Urteil zu Zwangsmedikation: „Das wird kompliziert“

Der Präsident der Psychiatriegesellschaft, Peter Falkai, will keine Kontrolle der Medikation durch einen Richter. Letztlich schade das den Patienten, sagt der Psychiater.

Fachklinik für Psychiatrie: Die Gerichte werden demnächst auch über die Medikation entscheiden müssen. Bild: imago/HRSchulz

taz: Herr Falkai, was bedeutet es für Psychiatrie-Ärzte, vor Zwangsbehandlungen einen Richter fragen zu müssen?

Peter Falkai: Das bedeutet einen Eingriff in unsere klinische Tätigkeit. Wir nehmen einen Patienten auf, dürfen ihn aber nicht behandeln. Jemand mit einer akuten Psychose, der sich aufgrund seiner Krankheit gegen Medikamente wehrt, muss dann unter Umständen tagelang unbehandelt bleiben. Mit Glück sagt der Richter: Ich bin Jurist, sie sind der Arzt. Doch wenn er ein Gutachten oder eine zweite Meinung verlangt, wird eine notwendige Behandlung verzögert.

Doch gerade diese genaue Prüfung fordert doch der Bundesgerichtshof, im Sinne der Patienten.

Ja, aber diese Regelung geht sehr weit und sie trifft besonders die chronisch psychisch Kranken – also diejenigen, die bereits einen gesetzlichen Betreuer haben. Und den haben sie doch nicht ohne Grund.

Die chronisch Kranken sind also, Ihrer Meinung nach, die Leidtragenden einer richterlichen Prüfung?

Diese Sorge habe ich. Solche Patienten haben keine Lobby und keine Fürsprecher. In den Psychiatrien könnte sich eine ungute Haltung breitmachen. Da sagt man dann: Ach komm, der ist nach Betreuungsrecht hier, das wird kompliziert – solange es geht, nehmen wir den nicht auf.

50 Jahre alt, ist Direktor der Psychiatrischen Klinik der Uni München und Präsident der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie, Psychotherapie und Nervenheilkunde.

Der Bundesgerichtshof sagt, Zwangsmedikation sei ein besonders gravierender Eingriff in die Rechte des Betroffenen. Wie könnte man Betreute denn sonst vor Fehlurteilen in diesem sensiblen Bereich schützen?

Mit mehr Transparenz etwa. So könnte man die Medikamente, die ein Patient bekommen hat, genau benennen und im Protokoll festhalten. Oder verpflichtend Beschwerdestellen einführen. Das Signal gegenüber den Ärzten wäre dann: Im Prinzip vertrauen wir euch, dass ihr die Patienten vernünftig behandelt. Ich habe auch nichts gegen eine Vertrauensperson, die im Vorfeld einer Behandlung hinzugezogen würde.

Aber ein Betreuer ist doch bereits so eine Vertrauensperson. Betont der Bundesgerichtshof nicht explizit, dass dessen Meinung nicht ausreicht?

Die Frage ist berechtigt. Aber warum muss es ein Richter sein, der die Medikation überprüft? Wo ist die fachliche Kompetenz?

Das Urteil schließt sich an eine Debatte an, in der Betroffene geschildert hatten, dass sie ihre Zwangsbehandlung als Missbrauch erlebt haben. Die Erfahrung, gefesselt zu werden und Spritzen zu bekommen, habe sie traumatisiert.

Selbstverständlich wird es das geben. Das ist nicht in Ordnung, das darf so nicht sein. Und bei Traumatisierungen sind Psychiatrien auch für die Hilfe danach verantwortlich. Doch so ist das eben mit medizinischen Behandlungen. Die Frage ist doch: Von wie vielen Fällen reden wir hier? 0,5 Prozent? 1 Prozent? In meinen Augen ist es wichtig, die Debatte zu versachlichen.

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