LESERINNENBRIEFE
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Obdachlose führen durch die Stadt

■ betr.: „Honzas Sehenswürdigkeiten“, taz vom 25. 9. 12

Danke für den spannenden Artikel über die Stadtführungen von Obdachlosen in Prag! Super wäre, wenn nicht nur auf ähnliche Angebote in London und Utrecht verwiesen würde, sondern auch hier innerhalb Deutschlands, da dies sicherlich für die taz-LeserInnen interessant wäre, die an einem solchen Rundgang in ihrer eigenen Stadt teilnehmen möchten. In Hamburg zum Beispiel bieten wir als Straßenmagazin Hinz&Kunzt unseren alternativen Stadtrundgang, die sogenannten Hamburger Nebenschauplätze, seit knapp zehn Jahren an. Infos unter: http://www.hinzundkunzt.de/linke-leiste/hamburger-nebenschauplatze/

EVA SCHRAMM, Redaktion „Hinz&Kunzt“, Hamburg

Geschützte Pharmaindustrie

■ betr.: „EU will Patientenschutz lockern“, taz vom 25. 9. 12

Eine Harmonisierung der Standards innerhalb der EU darf unter keinen Umständen zu einem Absenken der Regeln und Schutzstandards zugunsten der pharmazeutischen Forschung führen. Wenn hier von einem „erwartbaren therapeutischen Vorteil und Nutzen für die öffentliche Gesundheit“ fantasiert wird, bedeutet das doch nur, dass den wirtschaftlichen Interessen der Pharmaindustrie Vorrang vor dem Schutz der PatientInnen gegeben werden soll, was völlig indiskutabel ist. HELGA SCHNEIDER-LUDORFF, Oberursel

Massenverarmung wird verordnet

■ betr.: „Das versteht ja kein Mensch“, taz vom 25. 9. 12

In fast allen Parteien rumort die heimliche Frage: Wie neoliberal sind wir inzwischen vor lauter Opportunismus und (Macht-)Gier? Wie neoliberal stellen wir uns den Wählern dar, und wie neoliberal wollen wir wirklich weitermachen? So auch die Grünen. Beeindruckend, wie merkelesk Cohn-Bendit den Europa/Krisenkomplex runterbricht auf das alternativlose „da geht es nicht darum, ob das (der Fiskalpakt) ein guter oder schlechter Pakt ist. Dieser ist die Fortsetzung des … ESM, und der ist der einzige Ansatz zur Vergemeinschaftung der Schulden und zu einer Solidarität in Europa.“ Täglich lesen wir, was ESM bedeutet: Sparen unter dem Diktat der Troika. Letzterer könnte es ja egal sein, wie die Staaten ihre Haushalte sanieren – sie könnten ja auch die Einnahmen erhöhen (Reichenabgaben etc.). Das wird aber nie gefordert, stattdessen wird eine Massenverarmung verordnet. Sehr solidarisch! Die „Realos“ scheint das nicht zu stören. Mal sehen, ob es die Wähler 2013 stört! SABINE MIEHE, Marburg

Das Ergebnis eines Machtkampfes

■ betr.: „Toll, alles ganz toll. Na dann tschüss“, taz vom 25. 9. 12

Ich nehme aus beruflichen Gründen nur an zwei weiteren Regionalkonferenzen außer Berlin teil, also scheitert an mir die wenige Redezeit der Promis nicht. Die Situation haben wir uns selbst zuzuschreiben. Wäre zum Beispiel ein Tarek Al Wazir, Boris Palmer oder die ein oder andere Dame aus der Landespolitik unter den prominenten Kandidaten, wäre ich gar nicht angetreten. Es geht mir einfach darum, dass ich keine Lust mehr habe auf grün-linke Reden ohne grün-linke Taten. Auf einen Grünen Vizekanzler Trittin, der versucht den gleichen Weg zu gehen wie Joschka Fischer. Dieser Personenkult, diese Unlust, Feigheit und Mutlosigkeit der nächsten Generation und zweiten Reihe der Berufspolitiker ist für mich kaum zu ertragen.

Die Defizite, auf die die Basiskandidaten hinweisen, sind seit Jahren bekannt und werden immer wieder beklagt, gerade auch von der Basis. Nur ändern tut sich nichts! Keiner, der es könnte, möchte wirklich Verantwortung übernehmen, das darf man doch jetzt nicht uns Basiskandidaten vorwerfen! Außerdem, diese Urwahl ist doch das Ergebnis eines Machtkampfes, bei dem es nur um die Egos der vier prominenten Abgeordneten geht. Werfen wir das diesen „Fantastischen Vier“ doch mal vor!

Ich werde in Bochum und Gelsenkirchen dabei sein und mein Name bleibt auf dem Wahlzettel stehen. Jede Kandidatur eines Basisdemokraten hatte schon seinen Wert, wenn wir Berufspolitiker wie Volker Beck und ihre Einstellung zur Basis entlarven. Ich habe viele Mails mit Fragen, Angeboten für kostenlose Mitfahrmöglichkeiten zu den Regionalkonferenzen, positiver Kritik und der Bitte, nicht aufzugeben, bekommen. Auch jede Menge Kritik zur jetzigen Führung und der Trägheit der jungen Garde. Die Situation bei der Urwahl zeigt doch schon, dass vieles an der Spitze nicht stimmt. Warum sollte man da jetzt zurückziehen? Gerade wie diese Debatten auch laufen und abgesprochen sind – ohne Diskussion und mit Kuschelkurs der Promis untereinander. Ich weiß nicht, ob die Basiskandidaten da wirklich das Problem sind! MARKUS MEISTER, Kassel

Scheinbar belanglose Nebensätze

■ betr.: „Auf dem Abstellgleis“, taz vom 26. 9. 12

Es sind die scheinbar belanglosen Nebensätze, die gewaltig nerven. Bei dem „Milliardenprestigeprojekt“ S 21 ist der Zug noch lange nicht abgefahren. Es fehlt vorne und hinten an Planfeststellungsverfahren, an Genehmigungen, und der breite Protest gegen dieses kriminelle (und nicht Prestige-)Projekt ist ungebrochen. Gerne werde ich in meiner taz mal wieder einen fundierten (!) Bericht über den Stand der Dinge in Stuttgart lesen, über ein Projekt, das mit Hilfe einer manipulierten Volksbefragung nahezu sämtliche Gesetze und Bestimmungen außer Kraft setzt. Da fügt sich die grüne nahtlos an die schwarze Regierung an. WOLFGANG O. SCHWARZ, Stuttgart