FDP auf dem Weg zur Mitmachpartei

PARTEIREFORMEN Die Liberalen lassen sich von den Piraten inspirieren und wollen ihren Mitgliedern mehr Mitsprache einräumen. So sollen auf Parteitagen alle reden dürfen – falls sie nicht zu sehr nerven

BERLIN taz | Wie attraktiv eine Partei sein kann, wenn sie ihre Mitglieder mitreden lässt, konnte man bei der Piratenpartei sehen. Was passiert, wenn wirklich jedes Mitglied zu allem seinen Senf dazugibt, ist ebenfalls bei den Piraten zu beobachten. Die krisengeschüttelte FDP probiert nun einen Mittelweg aus. Anfang der Woche hat der Parteivorstand eine Satzungsänderung beschlossen, die den Mitgliedern mehr Mitsprache auf Parteitagen einräumt.

Die Beschlüsse sehen vor, dass künftig auf Bundesparteitagen jedes Mitglied Anträge stellen darf. Voraussetzung ist, dass der Antrag von mindestens 250 Mitgliedern unterstützt wird. Außerdem sollen dort künftig auch einfache Mitglieder ein Rederecht erhalten. Bislang dürfen auf Bundesparteitagen nur Parteigliederungen oder Delegierte Anträge stellen.

Damit die Sache nicht ausufert, ist das FDP-Angebot an die Mitglieder auch gleich wieder ein bisschen eingeschränkt worden. Mit neun zu sieben Stimmen wurde im Thomas-Dehler-Haus beschlossen, dass „das Rederecht der Mitglieder, die nicht stimmberechtigte Mitglieder sind, durch Beschluss des Bundesparteitages eingeschränkt oder ausgeschlossen werden“ kann. Soll heißen: Wenn es jemanden allzu oft und ausführlich ans Saalmikrofon zieht, können ihm die Delegierten die Leitung kappen. Aber natürlich ist solch ein Recht, angehört zu werden, attraktiv für Mitglieder. Und für die will und muss die FDP wieder interessanter werden.

Allein in der ersten Jahreshälfte haben dreitausend Liberale ihr Parteibuch zurückgegeben, die offizielle Mitgliederzahl liegt derzeit bei 60.185. Bleibt die FDP in den kommenden Monaten weiter unter der Fünfprozenthürde und verpasst sie womöglich gar im Januar den Wiedereinzug ins niedersächsische Landesparlament, dürfte diese Zahl noch weiter sinken.

Die gebeutelte Partei bastelt nun eifrig an ihrem Image als Mitmachpartei. Im Januar soll eine Internetplattform an den Start gehen, auf der jeder Bürger seine Ideen zum Wahlprogramm unterbreiten kann. Die FDP hat mit derlei bereits Erfahrungen: beim Mitgliederentscheid über den Europäischen Rettungsschirm ESM hatten die Parteifreunde Ende letzten Jahres ausreichend Gelegenheit, das Für und Wider auf mitgliederentscheid.fdp.de zu diskutieren. Auch wegen dieser Möglichkeit der Teilhabe gingen am Ende mehr als 20.000 Stimmzettel in der Parteizentrale ein.

Laut einem Bericht der Welt hat die „AG Parteireform“ noch weitergehende Ideen. So denke man in der FDP gar über Vorwahlen nach dem Vorbild der USA für die Aufstellung der Spitzenkandidaten nach – die Beteiligung von Nichtmitgliedern nicht ausgeschlossen. ANJA MAIER