Zoff um Neuwahlen bei den Piraten: Hundekacke an der Hacke

Die Piraten streiten über die Neuwahl des Vorstands. Es gibt viel schmutzige Wäsche und wenig Erkenntnis. Ein Ortstermin am virtuellen Piraten-Stammtisch.

Haben sie eine fatale Außenwirkung? Piratenchef Bernd Schlömer (links) und sein Vorstandskollege Johannes Ponader. Bild: dpa

BERLIN taz | Johannes Ponader bringt es auf den Punkt. Die Konflikte im Bundesvorstand seien wie ein „Hundehaufen, in den man getreten ist und den man nicht mehr vom Schuh bekommt“. Ein passendes Bild für den Zustand der Partei, die seit Monaten in Selbstbeschäftigung verharrt. Am Dienstagabend hatten die Piraten in den „Dicken Engel“ geladen. Keine Eckkneipe in Berlin Kreuzberg, kein Szenelokal auf der Hamburger Schanze, sondern eine virtuelle Kneipe im Netz.

Es ist viel los, gut 200 Piraten hören im Chatraum zu – denn drei Mitglieder des Bundesvorstands sitzen auf dem virtuellen Podium und die Basis ist aufgebracht. In fast jeder Frage an den Vorstand versteckt sich ein Vorwurf („Könnt ihr künftig ohne persönliche Angriffe arbeiten?“, „Was habt ihr gelernt?“). Besonders Parteichef Bernd Schlömer wird persönlich angegangen. Klar, Basisarbeit ist anstrengend. Aber an diesem Abend wird der Vorstand vorgeführt.

Im Mittelpunkt steht die auf den ersten Blick unverfängliche Frage, ob der Parteivorstand noch vor der Bundestagswahl neu gewählt werden soll. Seit Monaten schwelt der Konflikt. Während Schlömer Geschlossenheit fordert und den Austausch von Personen als „fatal“ ansieht, drängt der politische Geschäftsführer Johannes Ponader auf Neuwahlen. Nach der missglückten Niedersachsen-Wahl Ende Januar ist der Streit neu aufgeflammt. Am Dienstagabend treffen sich die Kontrahenten erstmals seit der Niedersachsensahl zur öffentlichen Aussprache. Von verbaler Abrüstung und neuer Geschlossenheit aber ist nichts zu spüren.

Noch vor Beginn der Debatte schickt Ponader seinen Standpunkt herum. Eine Neuwahl vor der Bundestagswahl sei problemlos machbar, so sein Tenor. Schlömer empfindet diesen Vorgang als Affront. Sein Eingangsstatement: „Ich fühle mich unter Druck gesetzt, moralisch erpresst von dir Joahnnes“. Damit ist klar, wie die Stimmung im Vorstand der Piraten derzeit ist. Anklagend im Ton, persönlich verletzend, unsachlich.

Ausgebluteter Vorstand

Ponander sieht den Vorstand als riesiges Problem: „Der ist ausgeblutet, an ihm hängen die Konflikte. Da kann man nur mit frischen Gesichtern neue Inspiration in die erste Reihe der Partei bringen.“ Schlömer hält dagegen. „Wir müssen jetzt einfach mal politische Arbeit machen, wenn wir im Mai einen neuen Vorstand wählen, bringt uns das nah an den Abgrund.“ Das Problem der Partei sei keines des Vorstands allein. „Wir haben an vielen Stellen Streit, Missgunst und Menschenfeindlichkeit.“

Eigentlich könnte man die Frage, wann Neuwahlen des Vorstands stattfinden sollen, für eine sachliche halten. Doch im Laufe der Debatte wird deutlich, wie sehr es im Vorstand der Partei um persönliche Befindlichkeiten geht, wie emotional aufgeladen die Stimmung ist. Kaum hat Schlömer betont, er könne mit allen im Vorstand respektvoll zusammenarbeiten, beweist er selbst das Gegenteil: Es folgen Angriffe und Indiskretionen.

Schlömer fordert seinen Vorstandskollegen auf, die ganze Geschichte seines Rücktrittsangebots offenzulegen. Ponader geht nicht darauf ein. So plaudert der Parteichef wenig später aus: Ponander sei nur unter der Bedingung zum Rückzug bereit gewesen, wenn auch andere Vorstandsmitglieder abtreten würden. Und zwar: Parteichef Schlömer und Parteivize Sebastian Nerz. Ponader reagiert entrüstet und teilt mit, er sei jetzt „angefasst“. Schlömer erwähnt kryptisch eine Intrige von fünf bis sechs Piraten gegen Ponader. Die Geschichte bleibt im Ungefähren.

Kaum mehr handlungsfähig

Auf den Vorwurf eines Piraten, Schlömer habe sich von der Basis entfernt, reagiert dieser ungehalten. Dann driftet die Kritik erneut in eine Auseinandersetzung mit Ponader ab. Ein Pirat fasst zusammen: „Ihr habt eine fatale Außenwirkung, ihr könnt euch nicht beherrschen“.

Auch Schlömer wirkt bestürzt: „Die letzten 45 Minuten haben nur Schaden angerichtet“, sagt er zum Schluss. Ponander sieht das völlig anders. „Heute ist diese Partei aus meiner Sicht wieder ein stückweit offener und ehrlicher geworden“, twittert er nach der Diskussion. Der Abend verstärkt das Bild eines zerstrittenen, kaum mehr handlungsfähigen Parteivorstands. Sie versuchten, die Kacke vom Schuh zu kratzen. Letztlich traten sie aber immer wieder aufs Neue in den Haufen rein.

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