Frontalunterricht und Sitzenbleiben sind beliebt

STUDIE Viele halten die Schule zwar für ungerecht. Reformen sehen Eltern und Lehrer aber skeptisch

BERLIN taz | Der Frontalunterricht gilt als Relikt des 19. Jahrhunderts: Pauker vorne, die Schüler auf ihren Plätzen. Er ist aber beliebter als gedacht: Eine Mehrheit der Lehrer, Schüler und Eltern sieht offene Unterrichtsformen, bei dem jeder individuell nach eigenem Tempo lernt, skeptisch. Das zeigt eine Studie, die das Institut für Demoskopie Allensbach im Auftrag der privaten Vodafone-Stiftung angefertigt hat. 58 Prozent der Lehrer sind der Meinung, dass freie Lernformen ihre Schüler in der Regel überfordert. Ein ähnliches Stimmungsbild zeigt sich auf der anderen Seite des Pults: 61 Prozent der Schüler ist der Auffassung, dass vor allem die Lehrer den Stoff vermitteln sollten. Die Hälfte der Eltern sieht es ebenso.

Die Meinungsforscher erkundigten sich auch nach der Zufriedenheit mit dem Schulsystem an sich. Viele Lehrer registrieren dabei eine große soziale Schieflage im deutschen Schulsystem: Nur 36 Prozent der Lehrer aber meinen, dass alle Schüler unabhängig von Geschlecht und sozialer Herkunft die gleichen Chancen haben.

54 Prozent der Lehrer haben den Eindruck, dass die Leistungsunterschiede zwischen den sozialen Schichten sogar zugenommen haben. Bei der Frage nach den Ursachen schieben sich Lehrer und Eltern gegenseitig den schwarzen Peter zu: Beide betonen zwar, dass es stark auf die Familie und deren Möglichkeiten, den Nachwuchs zu fördern, ankomme. Aber 84 Prozent der Eltern meinen, dass der Schulerfolg der Kinder vor allem vom Lehrer abhänge. Unter den Lehrer sind dagegen nur 75 Prozent dieser Auffassung.

Interessant ist außerdem: Was Bildungsforscher und Politiker als Weg zu mehr Chancengleichheit vorschlagen, lehnen viele Eltern, Lehrer und Schüler weitgehend ab. Eine Verlängerung der Grundschulzeit auf sechs Jahre befürworten nur 33 Prozent der Lehrer und 27 Prozent der Eltern. Die Abschaffung des mehrgliedrigen Schulsystems halten nur jeweils 21 Prozent sinnig, um benachteiligte Kindern zu fördern.

Auch ein Ende des Sitzenbleibens, das etwa die neue rot-grüne Landesregierung in Niedersachsen anstrebt, stößt auf wenig Begeisterung: Nur 10 Prozent der Lehrer und 12 Prozent der Eltern halten dies für eine gute Idee. Für die Studie wurden 507 Lehrer, 614 Schüler ab der Klasse 5 und 543 Eltern befragt. BERND KRAMER