Rechtspopulisten treffen sich bei Leipzig: Heilsbringer im Verfolgungswahn

Böse Feministinnen und zeugungsunwillige Homos. Die „Souveränitätskonferenz“ des Compact-Magazins ähnelte einer populistischen Gruppentherapie.

Wünscht der taz die Insolvenz an den Hals: Thilo Sarrazin. Bild: dpa

LEIPZIG taz | Als „Souveränitätskonferenz“ war dieses zweite Treffen der Geistheiler am deutschen Volkskörper in der „Globana“-Halle unweit des Schkeuditzer Autobahnkreuzes bei Leipzig angekündigt. Aber statt demonstrierter Souveränität glich die Konferenz am Sonnabend einer versuchten Gruppentherapie gegen eigene Phobien und Komplexe.

Man befürchtete den Untergang des deutschen Volkes, verantwortungslos befördert durch zeugungsunwillige Homosexuelle. Die zu vier Fünfteln männlichen Teilnehmer ängstigten sich vor mäandrierenden Feministinnen, vor der Zwangsumwandlung in den androgynen Einheitsmenschen. Und verfolgt von den „gleichgeschalteten, amerikanisierten“ Medien fühlen sich diese Meinungsfreiheitskämpfer um Spiritus Rector Jürgen Elsässer ohnehin immer.

Noch vor zehn Jahren hätte man diesen Medienprofi nicht auf einer solchen rechtsintellektuellen Konferenz vermutet. Elsässer war immerhin einmal Chefredakteur der Jungen Welt, schrieb für konkret und das Neue Deutschland. Am Sonnabend aber lehnte da ein Chefideologe am Rednerpult, der die Demonstranten für sexuelle Toleranz und gegen ein antiquiertes Familienraster draußen als „antidemokratisches Gesindel“ und „geschichtsvergessene Idioten“ beschimpfte. Als Chefredakteur des Compact-Magazins hatte er zur zweiten „Souveränitätskonferenz“ eingeladen, die dem Thema Familie gewidmet war.

Dieser Einladung folgten mit etwa 500 Teilnehmern rund 200 weniger als im Vorjahr. Abgesagt hatten auch VIPs wie Peter Scholl-Latour. Die ehemalige Fernsehmoderatorin und Mutterkreuzverteidigerin Eva Herman schickte eine kampfesmüde Audio-Botschaft. Fernmündlich wetterte sie gegen „totalitäre EU-Gender-Ideen“ und „Zwangsbetreuung“ von Kindern in Kitas.

Krause Theorien

Die familienpolitischen Positionen dieser Versammlung ähnelten doch denen der CDU/CSU, wandte sich Elsässer gegen einen unterstellten Rechtspopulismus. Er verteidige auch die Liberalität gegenüber Homosexuellen. Aber angesichts des Geburtenrückgangs müsse man die Ehe besonders schätzen.

Draußen in der Diskussion mit einigen der 400 Demonstranten traten indessen krause Theorien über eine umweltbedingte Zunahme „homosexueller Neigungen“ und deren Ursache in genetischen Defekten zutage. Verschwörungsängste gipfelten in Fragen wie „Wer hat ein Interesse daran, auf diese Weise unser Volk sterben zu lassen?“.

Gerettet werden sollen die tradierten Werte des Abendlandes nun vom neosowjetischen Russland, namentlich von Müttern des neuen Gesetzes gegen „homosexuelle Propaganda“ wie Elena Misulina und Natalia Narotschinskaja aus der Duma.

Insolvenzgrüße an die taz

Schließlich Warten auf Sarrazin. Auch Thilo der Geächtete schien traumatisiert, referierte umfänglich sein vor drei Jahren erschienenes Buch „Deutschland schafft sich ab“, bevor er zu einer finalen Kanonade gegen Armutseinwanderung ansetzte. Zwei Zwischenrufer ließen die Apologeten der Meinungsfreiheit aus dem Saal entfernen.

Der taz, mit der er wegen der persönlichen Attacke eines Redakteurs im Clinch liegt, wünschte Thilo Sarrazin die „endgültige Insolvenz“. Und dass jemand der von der Konferenz ausgeladenen Zeitung diese Botschaft überbringe. Was hiermit geschieht.

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