Der Kampf gegen das Desaster

WISSENSCHAFT In ihrem Kampf um ihren Doktortitel erhielt die CDU-Politikerin Annette Schavan offenbar jede Menge Hilfe, zeigt ein Bericht

„Intensiv blühte das Genre der ungefragten Expertise“

DEKAN BRUNO BLECKMANN

VON PASCAL BEUCKER

KÖLN taz | In ihrer Abschiedsrede im Bundestag Ende Juni erwähnte Exwissenschaftsministerin Annette Schavan mit keinem Wort ihre Plagiatsäffäre, die sie im Februar 2013 den Doktortitel gekostet hatte. Jetzt hat auch die Düsseldorfer Universität den Fall zu den Akten gelegt – mit einem Abschlussbericht, der sich gewaschen hat.

Verfasst hat das an den Uni-Senat adressierte und als vertraulich gekennzeichnete Papier der Dekan der Philosophischen Fakultät, Bruno Bleckmann. Es liest sich wie eine Abrechnung mit Schavan und etlichen Granden des Wissenschaftsbetriebs, die ihr beim Kampf um den Titel zur Seite sprangen.

Auf 24 Seiten plus Anhang dokumentiert Bleckmann die Einflussnahmen, mit denen Professoren und Wissenschaftsfunktionäre zugunsten Schavans intervenierten. Es habe eine „partiell orchestrierte Kampagne“ gegeben. Dadurch sei der Eindruck entstanden, „es gehe um einen Konflikt innerhalb der Wissenschaft, obwohl das eigentlich nur in dem Sinne richtig sein kann, in dem es einen Konflikt zwischen Astrologen und Astronomen, zwischen Kreationisten und Vertretern der Evolutionstheorie gibt.“

Bleckmann lässt kein gutes Haar an der eigenen Zunft. „Aktive Präsidenten von Wissenschaftsorganisationen und Hochschulen waren […] an vorderster Front“, schreibt der Althistoriker. Dazu zählt er unter anderen den damaligen Präsidenten der Max-Planck-Gesellschaft, den Ex-DFG-Präsidenten Ernst-Ludwig Winnacker sowie den ehemaligen Leiter des Cusanuswerks,Ludger Honnefelder.

Nicht nur der Chef der Hochschulrektorenkonferenz Jochen Hippler habe gefordert, „die politischen Dimensionen zu würdigen und den Gleichheitsgrundsatz zu verletzen“. Sarkastisch konstatiert Bleckmann, da könne „man auch zur früheren Promotionskultur zurückkehren und Doktorgrade wieder gegen Geldleistungen oder das Ausrichten eines Festmahls ausstellen, wie vor der preußischen Promotionsreform vielfach üblich“.

Die Verbitterung über die scharfen Angriffe, denen sich die Fakultät ausgesetzt sah, sitzt tief. „Intensiv blühte das Genre der ungefragten, aber emotional und mitunter auch in persönlich beleidigender Form vorgebrachten Expertise“, stellt Bleckmann fest. Schavan selbst habe „dazu beigetragen, falsche Vorstellungen über das, worüber verhandelt worden ist, zu erwecken“, so Bleckmann. Nachdem das Verwaltungsgericht im März dieses Jahres die Aberkennung ihres Doktortitels bestätigte, habe sie sich als „schlechte Verliererin“ gezeigt: „Die vollkommen eindeutige und unmissverständliche Bestätigung unseres Standpunktes durch das Verwaltungsgericht hat bei der Ex-Ministerin zu keinerlei Modifikation dieser Haltung geführt.“

Annette Schavan tritt in diesen Tagen ihren neuen Job als deutsche Botschafterin im Vatikan an. Vielleicht hat sie ihr Büro in der Via di Villa Sacchetti in Rom auch schon bezogen. Das Auswärtige Amt sah sich bis Redaktionsschluss nicht in der Lage, diese Frage zu beantworten.