Der Schussel von der ersten Reihe

POSSE CDU-Landeschef Armin Laschet wird seine Noten-Affäre nicht los. Das liegt vor allem an seinem ungeschickten Krisenmanagement. Grünen-Landeschef Lehmann: „Geschichte wird immer skurriler“

AUS KÖLN HELKE ELLERSIEK

Es ist sein großer Traum: Gerne würde sich Armin Laschet nach der Landtagswahl 2017 als neuer Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen feiern lassen. Doch der Traum des derzeitigen CDU-Oppositionsführers droht jetzt frühzeitig zu zerplatzen. Zum Verhängnis werden könnte ihm eine peinliche Posse um Klausuren, die Laschet als Lehrbeauftragter an der RWTH Aachen verloren, aber trotzdem benotet hat.

Dank seines schlechten Krisenmanagements wird es immer enger für den obersten Christdemokraten des Landes. Inzwischen beschäftigt sein Lavieren in der „Noten-Affäre“ sogar den Wissenschaftsausschuss des Landtags. „Es ist festzustellen, dass die Klausuren verloren gegangen sind und keinerlei Aussicht besteht, sie wieder aufzufinden“, heißt es im Bericht von Landeswissenschaftsministerin Svenja Schulze (SPD), der dem Ausschuss am Mittwoch vorgelegt wurde. Die von Laschet vergebenen Noten müssen annulliert werden, hatte der Prüfungsausschuss der RWTH Aachen kurz vorher entschieden.

15 Jahre lang war Laschet ehrenamtlicher Dozent an der RWTH in Aachen, bis er den Lehrauftrag Ende Mai aufgab. Das war seine Konsequenz daraus, dass er „auf dem Postweg verschwundene“ Klausuren allzu kreativ nachbenotet hatte. Laschet, Partei- und Fraktionschef der NRW-CDU, gab an, sich dabei auf seine Notizen gestützt zu haben. Inzwischen ist allerdings fraglich, ob es sie überhaupt gegeben hat. Denn diese Notizen hat bis heute niemand gesehen – und wird auch niemand mehr sehen: Zunächst wollte Laschet sie nicht vorlegen. Aber er versicherte Anfang Juni: „Ja, sicher gibt’s die noch. Ich denke mal ja.“ Am Dienstag teilte er einem ausgewählten Kreis von Journalisten mit, er habe die Unterlagen längst entsorgt, „wie sonst auch“.

Wie auch immer: So oder so waren Laschets „Notizen“ wohl wenig tauglich. Sonst hätte er schließlich kaum 35 Studierende benotet, obwohl nur 28 die Klausur mitgeschrieben hatten.

Wissenschaftsministerin Schulze schreibt in ihrer Bewertung der Affäre, es könne „nicht bestätigt werden“, dass Laschet die ihm „obliegende Sorgfalt vollumfänglich hat walten lassen“.

So kann man sein Krisenmanagement auch nennen. Als er Anfang des Monats gefragt wurde, wie so etwas denn passieren konnte, war seine Antwort: „Ich habe dafür eine ganz einfache Erklärung.“ Geben werde er die aber nicht.

Der Spott über Laschet wächst seitdem von Tag zu Tag. Sogar eine Website mit einem „Laschet-Orakel“ gibt es inzwischen. Dort wird man aufgefordert, eine beliebige Frage einzugeben, worauf ein Meme des CDU-Landeschefs erscheint. Überschrift: „Ich könnte es Ihnen erklären … Aber ich mache es nicht!“ Beim letzten CDU-Landesparteitag entschuldigte sich Laschet für sein Statement: „Das war zugegebenermaßen keine besonders geistreiche Erklärung.“

Die ganze Geschichte werde „immer skurriler“, kommentiert Grünen-Landeschef Sven Lehmann das unglückliche Agieren Laschets. „So langsam stellt sich die Frage, ob neben den Notizen nicht auch die Wahrheit im Altpapier verschwunden ist“, sagte Lehmann der taz.