Kino-Film "Schattenwelt": Das Leben nach der RAF

In ihrem Film "Schattenwelt" erzählt Connie Walther vom Leben eines RAF-Täters und seines Opfers. Am Drehbuch wirkte Ex-RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock mit.

Opfer-Tochter und Ex-Terrorist: Franziska Petri und Ulrich Noethen im Kinofilm "Schattenwelt". Bild: dpa

Am Tag, als Widmer aus dem Gefängnis kommt, hat die Welt keine Farben. Die Reporter, die vor dem Tor warten, die Mauern, der Himmel, die Auffahrt und das Rasenstück - alles ist ausgebleicht und grau. Das Tor öffnet sich, ein Wagen kommt heraus, die Reporter umzingeln ihn. Als der Fahrer, die vielen Menschen kaum beachtend, Gas gibt, jagen sie ihm hinterher, aus dem Bild heraus. Ein Rentner mit einem Schäferhund bleibt allein zurück. Nach einer Weile tritt ein Mann aus einer Pforte neben dem großen Tor. Der Alte beschimpft ihn. Man ahnt: Dieser einzelne Fußgänger ist derjenige, auf den die Reporter gewartet haben. Ein Trick, eine überraschende Volte - sie bleibt nicht die einzige in Connie Walters Spielfilm "Schattenwelt".

"Schattenwelt" setzt ein, wenn alles vorbei ist. Was "Der Baader Meinhof Komplex" im letzten Herbst so gehetzt wie gedankenlos in Szene setzte - die Politisierung, die Militanz, den Terror, die Flucht, die Verfolgung, den Prozess, die Haft -, ist bei Walther Vorgeschichte. Widmer (Ulrich Noethen) war 22 Jahre im Gefängnis, weil er der RAF angehörte und in den Mord an einem Bankier verwickelt war. Bei dem Attentat kam auch ein Gärtner ums Leben. Wer auf wen schoss, wurde nie geklärt. Widmer bezieht eine spärlich eingerichtete Wohnung in einer Hochhaussiedlung am Rand von Freiburg, die Zimmer bleiben den gesamten Film über so karg wie die Farben blass. Außer zu seiner Anwältin Ellen (Tanja Seibt) und zu seiner Nachbarin Valerie (Franziska Petri) hat er wenig Kontakt zu Menschen.

Figuren wie Widmer hat Christian Petzold in "Die Innere Sicherheit" durch halb Europa irren lassen, aus der Zeit gefallene Spukgestalten, auf der Suche nach Geldverstecken, in denen die Banknoten ungültig geworden waren. Volker Schlöndorff wiederum hat die Terroristin, die Hauptfigur in "Die Stille nach dem Schuss" ist, zum DDR-Spießbürgertum gezwungen. Walther wählt einen anderen Zugang: Statt die Figuren als Untote anzulegen oder sie ruhigzustellen, setzt sie, recht fernsehkompatibel, einfach weiter auf Action, indem sie den Täter mit seinem Opfer zusammenstoßen lässt. Es zählt zu den Prämissen von "Schattenwelt", dass Gewalttaten neue Gewalttaten hervorbringen. Wie genau das vonstattengeht, sei hier, Walthers Vorliebe für Überraschungen wegen, nicht verraten. Vielleicht nur so viel: Wer als Kind Gewalt miterlebt, der kommt in der Logik von "Schattenwelt" sein Leben lang nicht davon los. Und wessen Vater und Mutter RAF-Mitglieder waren, der hat als junger Erwachsener mindestens ein fettes Alkoholproblem. "Schattenwelt" drängt viel Beschädigung auf wenig Raum.

Der Film kam kurz ins Gerede, weil das ehemalige RAF-Mitglied Peter-Jürgen Boock am Drehbuch mitwirkte und dafür ein staatlich bezuschusstes Honorar erhielt ("Schattenwelt" wurde von mehreren öffentlichen Filmförderinstitutionen kofinanziert). Wer sich darüber empört, hat das Prinzip Resozialisierung nicht begriffen. Trauriger an Walthers Film ist eher, dass er die Frage, wie Opfer und Täter leben, wenn die Tat schon lange zurückliegt, so umstandslos mit neuen Taten beantwortet. Er rutscht dabei in die dramaturgische Aufgeregtheit eines TV-Movies, was in eigentümlichen Widerspruch zur durchgängig entsättigten Farbgestaltung steht. Die suggeriert eher Verlangsamung, Stillstand und kühles Registrieren als Handlungsüberschuss. Der Film könnte die Akzente anders setzen, er könnte sich die vorhandenen Beschädigungen geduldig ansehen, bevor er neue erfindet.

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