berliner szenen Landesvertretung

Tapsen und Salbadern

Es ist groß, es ist pink, es ist ein Zeichen. Ein Leuchten in der Berliner Nacht: „Zukunft!“ Der allgegenwärtige Claim des WDR-Jugendradios Eins Live macht aus der Landesvertretung NRW einen Hort der Zuversicht – vorwärts immer, rückwärts nimmer. Auf in bessere Zeiten!

Eine solche Flucht nach vorn hat Eins Live aus dem „Sektor“ in die Hauptstadt geführt. Leicht trotzig reagieren die Kölner auf den Popkomm-Umzug und veranstalten schon im zweiten Jahr Radiokonzerte in der Landesvertretung, letztes Jahr noch mit Altbier und den Toten Hosen.

Am Donnerstag ist Reggae dran, mit Newcomer Nosliw und Möchtegern-Altmeister Patrice. Wie immer konnte man die Karten nicht kaufen, sondern nur gewinnen. Pro Person gibt’s am Einlass vier Getränkemarken obendrauf, übrig geblieben vom letzten WDR-Sommerfest. „Das ist das beste Konzert, auf dem ich je war: Platz, Getränke für lau“, sagt mein Bruder nach 20 Minuten des entspannten, eingängigen Nosliw-Sets – ein vorschnelles Fazit. Nur 150 Leute sind da, doppelt so viele hätten bestimmt in den sterilen Raum aus Holz, Stahl und Glas gepasst. Viele von ihnen sehen aus, als wären sie mit einem alten VW-Bus da, mit dem sie sonst zum Surfen nach Portugal fahren.

Was wir da noch nicht ahnen: Der Mix aus Freibier, Joint und Räucherstäbchen bekommt den Surfern nicht besonders. Ausgerechnet bei Patrice, dessen Reggae-Predigten langweilig sind wie ein Nachmittag im Nachtclub, geraten sie in das, was sie wohl für Ekstase halten, und hopsen wie von Sinnen vor und zurück. Vorne auf der Bühne salbadert Patrice, das Publikum tapst sich in Trance. Wenn das die Zukunft ist, sollte man vielleicht doch Angst vor ihr haben. Wir gehen früher. DAVID DENK