berliner szenen Die Zeitmaschine

Draußen nur Kännchen

Am Eingang der Zeitmaschine sitzt, hinter einer großen Glasscheibe, ein Nachtwächter im beamtenhellblauen Hemd. Der guckt, während man an ihm vorbeigeht. Dafür wird er bezahlt, dass er da sitzt und guckt. Das klassizistische Treppenhaus hinauf geht der Weg in die Vergangenheit. Im ersten Stock warten die muffige Atmosphäre einer schlecht beleuchteten Büroetage und Orientierungslosigkeit. Kein Schild deutet darauf hin, aber wir können seine Nähe schon spüren.

Zwei verwinkelte Ecken weiter liegt er dann, der letzte real existierende Hort des deutsch-demokratischen Sozialismus: die Tadschikische Teestube im Palais am Festungsgraben. In den 70er-Jahren wurde der DDR von der sowjetischen Teilrepublik Tadschikistan die komplette Einrichtung ihres Standes auf der Leipziger Messe überlassen. Das Geschenk an den geehrten Genossen Staatsratvorsitzenden aus geschnitzten Pfeilern und Deckenbalken, Teppichen, Diwanen, Kissen, Armrollen und persischen Miniaturen wurde im Palais installiert. Dort ruht es noch heute, zu besichtigen bei einem Tässchen Tee von 17 bis 24 Uhr.

Nur: Die Gattin mag sich nicht auf den flachen Boden fläzen und man selbst ist auch längst in einem Alter, in dem man nicht garantieren kann, dass sich nach einer Portion Wareniki die steifen Knochen noch unfallfrei erheben lassen. Doch im Vorraum, an den Stehtischchen, verrät die Bedienung: „Draußen wird nicht bedient.“ Es ist der lang vermisste Sound aus Friedenszeiten, der Draußen-nur-Kännchen-Klang. Wir sind wieder zu Hause. Die Kinder sind mittlerweile in einem Alter, in dem sie wissen wollen: Wie war das denn damals in der DDR? Jetzt wissen wir, wohin wir sie bringen, wenn sie wieder Fragen stellen. THOMAS WINKLER