ortstermin
: Bei DJ Bobo brennt der Baum

In der Reihe „Ortstermin“ besuchen Autoren der taz nord ausgewählte Schauplätze inmitten des Nachrichtenstroms

Das war schon viel Auflauf für eine winzige Premiere: Um die neue Abteilung „Schweiz“ im Hamburger Miniatur Wunderland zu eröffnen, gaben sich am Montag Ole von Beust, der Schweizer Botschafter Christian Blickenstorfer und DJ Bobo die Ehre. Nach Hamburg, Skandinavien, Amerika und dem Harz können Besucher sich ab diesen Dienstag auch die Confoederatio Helvetica anschauen.

„Es ist schon ein komisches Gefühl, das eigene Land zu eröffnen,“ meint Blickenstorfer auf Augenhöhe mit dem Matterhorn. Gerade die Berge machten die Schweiz zu einem komplizierten Projekt. Um den Maßstäben gerecht zu werden, erstrecken sich Graubünden, das Wallis und das Tessin nun über zwei Etagen, gespickt mit allerlei Hochzeiten und Feuerwehreinsätzen und Banküberfällen. Ole von Beust hockt sich vor den Bahnhof von Zermatt. „Hier zeigen sich menschliches Leid und Glück“, kommentiert der Bürgermeister, „das ist wahre Detailliebe.“

Und weil Figürchen, Züglein und kleine Berge schon so süß sind, übertrumpfte das Miniatur Wunderland sich selbst: Zu Schoki und Törtchen gibt es von Kindern handbemalte Pressemäppchen und demütigende Heidikostüme für die eigene PR-Abteilung. Isch des schnusig.

Was braucht es, um die Schweiz auf 250 Quadratmetern einzufangen? Berge, Seilbahnen und eine Schokoladenfabrik, die tatsächlich im Minutentakt je ein Täfelchen Schoki ausspuckt. Und einen wahren Schweizer Superstar, DJ Bobo. „Ich war schon dreimal bei seinen Konzerten!“, schwärmt Wunderlandgründer Gerrit Braun. Es sei ihm ein Herzenswunsch gewesen, DJ Bobo in der Miniaturschweiz ein Denkmal zu sitzen. Getreu seinem Kracher „Let the dream come true!“ ließ sich der Grandseigneur des Eurotrash nicht bitten und stimmte dem Bau eines Mini-Open-Air-Konzerts zu – irgendwo im Tessin gelegen tritt er nun 200-mal am Tag im Verhältnis von 1 : 87 auf, mit Lichtshow und Tänzchen auf Knopfdruck.

Wobei gerade Originalgrößen-Bobo eine ernsthafte Bedrohung für das Mini-Tessin darstellte: Zur feierlichen Eröffnung seines Denkmals war ein Miniatur-Feuerwerk geplant. „Ich bin gerne Pyromane“, witzelte der Schweizer König der peinlichen Choreographien noch, da sprühten Funken über seine kleine Bühne, den kleinen Backstagebereich und sein winziges Publikum, ein paar Bäumchen gingen in Flammen auf und der Rest des Kantons musste vorsichtshalber durch einen Feuerlöscher in weißen Wolken versinken.

„Unfälle passieren eben“, beruhigt Gerrit Braun den etwas entsetzten Bobo. Schließlich sei man im Wunderland immer auf das Worst-Case-Szenario vorbereitet: Ein Kind wirft eine Tüte Eis auf Gleise, an die man vom Rand des Geländes nicht rankommt. Und dann? „Für den Fall gibt es kleine LED-Lampen, die dort leuchten, wo wir unsere Füße aufsetzen können“, erklärt Gerrit Braun. „So kann man sich durch die gesamte Anlage bewegen, ohne Arbeitsbühnen aufbauen zu müssen.“

Im Tessin hat sich mittlerweile der Rauch gelegt, es riecht wieder ganz normal und Herr Bobo startet einen zweiten Versuch, sein Konzert anzuschalten – dieses Mal vorsichtshalber ohne Pyrotechnik. „Ceeelebrate good times, come on!“ singt es ganz leise auf Knopfdruck während das fledermausförmige Bühnenbild langsam die Flügel schlägt. „So leise? Geht das nicht lauter?“, schaut er irritiert die Modellbauer an. „Nein, das geht auf gar keinen Fall,“ erklärt Braun trocken. „Das wäre ja für das Modellpublikum viel zu laut.“ Aha.

Sein Minikonzert ehrt ihn dennoch, richtig gerührt starrt der große Bobo den kleinen Bobo an und muss sich sichtlich zurückhalten, nichts anzufassen und zu spielen. „Schauen Sie mal! Die Fans halten sogar Schilder!“, freut er sich über die liebevolle Gestaltung. „Das machen die in Wirklichkeit nie!“ „DJ Bobo mach mir ein Kind“, „Heirate mich!“ und „Mach mir bitte keine Kinder mehr!“ steht dort. „Und hier, hinter der Bühne, gibt es sogar nackte Groupies!“ Mit Blick auf die omnipräsente Frau Bobo fügt er hinzu: „Auch das gibt es natürlich bei Konzerten nicht wirklich.“

In seiner Heimat wird DJ Bobo im Übrigen gerade boykottiert: Sein neuer Hit „Vampires are alive“ sei angeblich als perfider Aufruf zum Massensuizid zu verstehen. Niedlich, die Schweizer.

Jessica Riccò