In der Schlange am BE

Bingo! Logenplätze

„Fuck. Um das hier durchzuhalten, müsste ich meinen ganzen Körper mit Nikotinpflastern zukleben!“ Der Typ gibt auf und stürzt nach draußen. Alltag im Foyer des Berliner Ensembles: Wer eine Karte für Robert Wilsons Inszenierung der „Dreigroschenoper“ haben will, muss sich früh anstellen, um in eine Liste aufgenommen zu werden. Kommt man unter die ersten 25, hat man Chancen auf einen Stehplatz. Dafür muss man spätestens um 17 Uhr eintrudeln. Um dann seinen Platz für anderthalb Stunden nicht mehr zu verlassen, bis um 18.30 Uhr der berüchtigte Listeneintrag erfolgt. Wer viel Glück hat, kann damit kurz vor Beginn der Vorstellung sogar noch eine nicht abgeholte Sitzplatzkarte erstehen. Also warten.

„Was sagen Sie? Der Regisseur ist ein Amerikaner? Ja, kann denn so einer das überhaupt richtig inszenieren?“, fragt die Frau mit dem Halstuch, die extra aus Freiburg angereist ist. „Verfremdet der den Stoff etwa? Ich hasse es ja, wenn diese modernen Regisseure glauben, sie seien besser als die Dramatiker!“ Da meldet sich der Italiener hinter uns: Wie das hier nun genau funktioniere in dieser Warteschlange? Bei ihm zu Hause könne in so einer Situation alles passieren. „Nein, nein“, beschwichtigt ihn eine junge Frau, „in Deutschland können Sie auf einen geregelten Ablauf der Dinge zählen, hier wird nicht vorgedrängelt!“

Wir sind zu zweit. So kann ich uns sogar noch schnell Falafeln besorgen. Nur eine Minute vor Vorstellungsbeginn heißt es dann: „Bingo!“ Plötzlich leuchten zwei grüne Punkte im Display des Kassenmanns auf. Und wie in Zeitlupe sagt er leise: „Es sind Logenplätze.“

Wie sich hinterher herausstellen sollte, war das die spannendere Inszenierung des Abends gewesen. JAN SÜSELBECK