Von der Säge des Frauenmörders

Im Vorgriff auf ein künftiges Polizeimuseum öffnet die Hamburger Polizei ihre Asservatenkammer – und präsentiert einige ihrer spektakulärsten Kriminalfälle. Die Geschichten hinter den Verbrechen allerdings entwischen dabei dem Ermittlerblick

Irgendwo im Hintergrund, hinter den vielen Uniformträgern, tutet es wie Klarinetten. Zu sehen ist aber nichts, dafür kommt jetzt von der anderen Seite der Innensenator herein, die Leibwächter hat er vor der Tür abgegeben, ist ja schon genug Polizei da. Der Innensenator trägt feinen, grauen Zwirn und hat wie immer sein schwarzes Ledertäschchen dabei. Das Schöne an der Ausstellung, sagt Udo Nagel, sei: „Die Taten sind dann alle irgendwann aufgeklärt worden.“ Und da muss er doch kurz lächeln.

Es ist ein großer Tag für die Hamburger Polizei, die so gerne ein eigenes Polizeimuseum hätte. Für die Ausstellung hat sie einige ihrer spektakulärsten Fälle aus der Asservatenkammer gezerrt und in einem Saal der Finanzbehörde aufgebaut. Zum Glück sei Finanzsenator Michael Freytag ein „Freund der Polizei“, sagt Innensenator Nagel. Neben ihm steht ein überdimensionales Polizeiwappen mit der Inschrift: „Verständnis wächst aus Kenntnis. Polizeiverein Hamburg e. V.“

Der Tross aus Politikern und Uniformierten setzt sich in Bewegung, geführt vom „künftigen Leiter“ des noch gar nicht beschlossenen Museums, der laut Namensschild Uwe Hanse heißt. Der künftige Leiter bleibt vor der Säge des Frauenmörders Honka stehen, die in Plexiglas steckt, als hätte Honka sie noch persönlich hineingerammt, bevor man ihn in 1976 in die Psychiatrie einwies. Einen IQ von 85 habe Honka gehabt, „da brannten die Lichter nicht sehr hell“, sagt der künftige Museumsleiter. Fritz Honka lockte Frauen aus dem Rotlichtmilieu in die Reeperbahn-Kneipe „Zum Goldenen Handschuh“, bevor er sie zu sich in seine Wohnung im Stadtteil Ottensen mitnahm, bewirtete und schließlich zersägte. Auf Stellwänden sieht man zwei große Fotos, ein harmloses vom „Goldenen Handschuh“ und ein sehr grausiges, auf dem die geöffnete Luke zu erkennen ist, hinter der Honka die Leichenteile versteckte.

Mit Hintergründen hält sich die Ausstellung nicht auf, sie zeigt nur die Highlights. In einem Geldschrank, den einmal der Verbrecherkönig und Tresorknacker Julius Adolf Petersen alias „Lord von Barmbek“ aufgebrochen hat, steckt noch die authentische Zange. Das Ölfass, in dem eine Leiche trieb, die zu Lebzeiten einen Lottogewinn gemacht und in einem Bordell angelegt hatte, steht neben dem durchschossenen „Merkbuch“, das einmal einem Polizeibeamten das Leben rettete. Der Beamte hatte eine vermeintliche Rezeptfälscherin verhaften wollen, die sich dann als RAF-Terroristin entpuppte. Auch die Polizeijacke mit Einschusslöchern ist da, ebenso die Tatwaffe, „und der Anschaulichkeit halber“, sagt der Museumsleiter in spe, „habe ich auch vier Projektile hingelegt“.

Es ist eine dieser Geschichten, die sich Polizisten noch jahrelang erzählen. „Und steck’ dein Merkbuch ein, dann lebst du länger!“ Genau darin könnte auch das Problem eines Polizeimuseums liegen, das von der Polizei selbst gemacht wird: Der Blick ist eben ein beschränkter. Selbst das wunderschöne Dagobert-Zimmer mit seinen riesigen Fototapeten und den skurrilen Objekten, mit denen der Kaufhaus-Erpresser die Geldübergabe plante – darunter sogar ein dann doch nicht eingesetztes Mini-U-Boot –, hinterlässt einen unbefriedigt. Was war das für ein Mensch? Wie hat er gelebt? Wie ist das Fall öffentlich wahrgenommen worden? Das erfährt man bei Dagobert nicht und nicht beim Frauenmörder Honka und nicht beim „Lord von Barmbek“. Mehr als 5.700 Objekte zählt die Asservatenkammer der Hamburger Polizei. Es gäbe so viel zu erzählen. DANIEL WIESE

Montags bis Samstags, 10 bis 18 Uhr, Finanzbehörde Hamburg, Gänsemarkt. Bis 22. Dezember