thome, herzsprung etc.
: Immer weiter, immer wieder

Vielleicht ist Rudolf Thomes 26. Film ja erst der Anfang. „Ich wollte was Verrücktes machen“, sagt der 68 Jahre alte Regisseur über sein neues Projekt „Pink“. Das soll deutlich unter zwei Stunden lang sein, eher so 85 Minuten: „Alle meine Freunde sollen aufhören, mich zu lieben, und alle meine Feinde sollen anfangen, mich zu lieben.“ Als wäre diese Ansage nicht schon Überraschung genug, schiebt Thome beim Gespräch im Kreuzberger Hinterhofbüro seiner Produktionsfirma noch hinterher: „Was habe ich zu verlieren?“

Er meint das ernst. Wann, wenn nicht jetzt, wäre die richtige Zeit für einen Neubeginn. Nach rund 40 Berufsjahren hatte der erklärte „Bauchmensch“ Thome nach Abschluss der Dreharbeiten zu „Das Sichtbare und das Unsichtbare“, der heute in den Kinos anläuft, das Gefühl, dieser Film über das Ende eines bedeutenden, aber anachronistischen Malers könnte sein letzter Film gewesen sein – und hat es sich dann doch anders überlegt. Aufhören passt irgendwie nicht zu ihm, Thome ist ein Anfänger. Immer weiter, immer wieder.

So ist es auch nur auf den ersten Blick eine seltsame Entscheidung, Rudolf Thome einen Förderpreis zu verleihen, wie beim Hessischen Filmpreis 2007 geschehen. Damals war er 67, ein Alter, in dem andere für ihr Lebenswerk geehrt werden. Dahinter steht die Hoffnung, er möge doch bitte auf ewig weitermachen – auch weil sich Filmliebhaber das deutsche Kino ohne seine Stimme gar nicht mehr vorstellen können und wollen.

Doch für die breite Masse ist Rudolf Thomes Stimme allenfalls ein Hintergrundrauschen – wenn auch ein sehr konstantes. „Ich bin froh, dass ich Filme machen kann“, sagt er, verhehlt jedoch auch nicht, dass er als junger Regisseur sehr wohl von Hollywood geträumt hat und nicht von einer Nischenexistenz in Deutschland, in der er allerdings so selbstbestimmt arbeiten kann wie kaum ein Hollywoodkollege: „Ich mache das, was ich machen will und nichts sonst.“ Auch deswegen war Resignation für ihn nie eine Alternative: „Wenn ich verbittert wäre, hätte ich nicht weiterarbeiten können.“ Und weiterarbeiten, das wollte er – gar keine Frage. Immer weiter, immer wieder.

Nach seinem fünften Film mit Hannelore Elsner dreht er gerade zum ersten Mal mit Hannah Herzsprung. Seiner Pink schmiert er ungefähr so viel Honig ums Maul wie Hannelore Elsner sich in der ersten Szene von „Das Sichtbare und das Unsichtbare“ Lippenstift. „Diese Präsenz habe ich noch nie erlebt“, sagt Thome und schwört, nicht zu heucheln. Herzsprung sitzt daneben, vor Verlegenheit in sich selbst verknotet.

Die Zusammenarbeit mit Rudolf Thome habe ihr als Schauspielerin ungeahnte Freiräume eröffnet, was sie zunächst sehr verunsichert habe, gibt Herzsprung zu. Alles sei anders gewesen als bei ihren bisherigen Regisseuren. Eine zweite Fassung des live im Internet geschriebenen Drehbuchs? Nö. Proben? Auch nicht. Ob sie wenigstens am Set viele Fragen stellen dürfe? Besser nicht. „Hoffentlich kann ich ihm das geben, was er möchte“, dachte sie. „Ich kann nur sagen, ob sich eine Szene richtig oder falsch anfühlt“, sagt er.

Vielleicht ist Rudolf Thomes 26. Film also auch einfach Rudolf Thomes 26. Film: Am dritten oder vierten Drehtag von „Pink“, gesteht er, habe er gedacht: „Ist ja wieder ein Thome-Film. Scheiße!“ DAVID DENK