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: Trends, Flops, Ladenhüter: Claudia Herstatt gibt dem angehenden Kunstsammler Orientierung

Der Titel klingt ein bisschen wie ein Sportbuch: „Fit für den Kunstmarkt“. Es präsentiert sich als ein Kompendium für den Neuling wie auch für den Kenner der Szene. Tatsächlich scheint das Sammeln von Kunst als Wertanlage in den letzten Jahren mit dem – inzwischen etwas gedämpft – euphorischen Aktienankauf gleichziehen zu wollen. Die Kunstjournalistin Claudia Herstatt versucht in ihrem Ratgeber, dem angehenden Sammler Orientierung zu geben. Dabei zeigt sie am Beispiel einer Grafik von Gerhard Richter, dass selbst Multiples lokaler Kunstvereine, sogenannte Jahresgaben, heftig im Preis steigen können, welche Institutionen preiswerte Jahresgaben anbieten und was für Möglichkeiten mit Auktionen und im Internet bestehen. Daneben porträtiert sie Privatsammlungen und bekannte Sammler. Praktisches wird vermittelt: Wie lagert der Sammler die Werke von Dieter Roth, für den das Vergammeln seiner Arbeiten ja Teil des Werkes war? Oder umgekehrt: Was tun, wenn der Hai von Damien Hirst in unbeabsichtigte Fäulnis übergeht? Doch das ist eigentlich mehr Problem reicher Sammler oder Museen, die letztlich darüber entscheiden werden, weiß die Autorin.

Als ehemalige Art-Korrespondentin und documenta-IX-Sprecherin ist Claudia Herstatt geübt, grundsätzliche Informationen klar zu vermitteln. Sie beschreibt Begriffe wie „Crossover“ oder „Dienstleistungskunst“, nennt wichtige Orte, Galerien und Institutionen. Es tauchen Kunstbegriffe auf, die in Art oder im Kunstforum regelmäßig als „neuer Trend“ vorgestellt werden, um anschließend fast automatisch ihren Weg in deutsche Kunsthallen zu finden. Allerdings sind genau die Galerien, die Medien, die Autoren, die den „neuen Trend“ beschreiben und so zum „Erfolg“ verhelfen, bekanntlich auch diejenigen, die nichts darüber schreiben, wenn das sensationelle Bild, das Anfang der 1980er noch über 100.000 Mark brachte, heute bei einer Auktion unverkauft bei einem Schätzpreis von 3.000 Euro liegen bleibt. Eine Kunstkolumne namens „Unsere Flops“ ist leider noch nicht erfunden: Vor zwanzig Jahren empfahlen wir unseren Lesern etwas, was heute schon für einen Bruchteil des damaligen Preises zu haben ist …

Es müssen also immer die positiven Beispiele sein, die Appetit auf das Sammeln machen. Dabei wird der Aspekt des „Ladenhüters“ kaum berücksichtigt, das ist ein bisschen schade. Denn oft steigen gerade diese im Wert. Das Buch „Frühe Schriften und Typische Scheiße“ beispielsweise, das ich 1981 im Ramsch eines Künstlerbuchladens in der Fasanenstraße für drei D-Mark kaufte, wird heute für hundert Euro angeboten. Die Kunst von Dieter Roth ist in Art allerdings sicher niemals als „garantiert im Wert steigend“ empfohlen worden. Bei Büchern wird es eben jedem deutlich. Es sind oft die Flops, die schließlich teuer werden: Robert Walsers Romane, die Grimm’schen Märchen oder Freuds Traumdeutung, erste Ausgabe. Die Trends funktionieren dagegen oft ein bisschen so wie die total überzeichnete Telekom-Aktie.

Die Autorin weiß das natürlich. Im Kapitel „Kunst als Wertanlage“ nennt sie warnend die neue Leidenschaft, Kunst lediglich zur Gewinnsteigerung zu kaufen, „mehr als fragwürdig“. Allerdings zieht sie sich etwas aus der Affäre, wenn sie meint, dass es ein „ewiges Rätsel“ bleiben werde, warum manche Künstler zu Höchstpreisen, andere ignoriert werden. Um die Analyse, warum es so ist, wie es ist, kommt niemand herum. Und wenn es „nur“ der angenehme Körpergeruch des Galeristen war, der den Künstler zum großen Star machte oder ein ganz dummes Missverständnis. Der Kunstbetrieb ist weit weniger rätselhaft, wie er erscheinen möchte, um so zu funktionieren, wie er funktioniert. WOLFGANG MÜLLER

Claudia Herstatt: „Fit für den Kunstmarkt“. Hatje Cantz, Stuttgart 2007, 214 Seiten, 14,80 Euro