Am Glücksrad

Die Schillerstraße

Schillerstraße Ecke Wilmersdorfer steht ein Typ und quatscht ununterbrochen in das kleine Mikro, das ihm am Mund klebt. Neben ihm ein Glücksrad aus Pappe, das vom Wind schon reichlich in Schräglage gebracht worden ist. So richtig eingehen auf sein joviales Geplauder will hier keiner. Müde warten die Passanten, hauptsächlich sind es ältere Männer in Synthetikjacken. Einer nach dem andern dreht das Papprad und nimmt den Gewinn von fünfzehn Euro entgegen, der im angrenzenden Billig-Schuhmarkt als Einkaufsgutscheinausgegeben wird.

Auf der anderen Straßenseite demonstrieren zwei Männer in Sachen Transrapid. Ob sie dafür oder dagegen Position beziehen, ist nicht mit letzter Sicherheit zu erkennen. Hier, an ihrem westlichen Ende, braucht es schon ein bisschen guten Willen, um die vergangene Noblesse der Schillerstraße zu erkennen. Immerhin ist sie ein bisschen breiter als die Straße von Kollege Goethe, die wenige Meter weiter südlich Charlottenburg von West nach Ost durchmisst. Aber irgendwie ist es hier trotz der luftigen Breite ein Stück angestaubter. Der Typ mit Glücksrad und Headset würde eher nach Duisburg passen. Genauso wie der Leerstand, nach dem es in vielen der Häuser aussieht. Vielleicht braucht es noch ein paar Jahre mehr, bis dieser Westberliner Retro-Look wieder gefragt ist.

Am Glücksrad hält eine junge Frau, die Freundin untergehakt. Sie hat auch keine Lust auf ein Gespräch, schiebt ihre Zigarette im Mundwinkel herum und wartet, bis das Rad ausgetrudelt ist. „Ich muss wissen, wie du heißt“, brüllt der Headset-Typ die Straße herunter. Die beiden biegen mit ihrem Fünfzehn-Euro-Gutschein schon in die nächste Filiale einer Fastfood-Kette ein und kichern.

WIEBKE POROMBKA