berliner szenen Berliner Ankunft

Kollegen beobachten

Am nächsten Tag gebe ich bei Google ein: „verdi streik transportarbeiter schönefeld“. Ich finde nichts, was unsere Probleme am späten Vorabend erklären könnte. Wir sind hundemüde. Durch systemimmanente Fehler der Condor sind wir völlig verspätet in Schönefeld angekommen und warten am Transportband auf unser Gepäck. Noch eine halbe Stunde nach der Landung rührt sich nichts. Nur ein letzter Koffer aus der zuvor entladenen Maschine aus Moskau dreht einsam seine Runden. Eine Bombe? Fast ist es uns egal.

Die Nerven liegen blank. Ein Männlein mit einer Mütze der konföderierten Armee aus dem amerikanischen Bürgerkrieg drängelt sich vor uns, zwei weitere Gnome quetschen sich rechts und links daneben. Sie quasseln ohne Unterlass sinnloses Zeug. Um nicht zum Mörder zu werden, geselle ich mich zu den Passagieren, die sich an der Scheibe zum Rollfeld in ohnmächtiger Verzweiflung die Nasen plattdrücken: Das Flugzeug ist noch nicht mal entladen. Zwei Transportarbeiter beobachten mit Händen in den Hosentaschen einen dritten, der ab und zu einen Kinderrucksack prüfend in die Hand nimmt.

Nach fünfzig Minuten kommt endlich das erste Gepäckstück. Die Leute klatschen Beifall. Vorhin bei der Landung haben sie das auch getan. Peinlich berührt habe ich mir geschworen, dass mich der enge Rahmen an Zeit und Geld zum letzten Mal zu dieser unwürdigen Form von Winterurlaub am Strand verleitet hat. Jetzt klatsche ich mit. Nach fünf Minuten stoppt das Band. Wir bekommen unsere Sachen so spät, dass wir 40 Minuten auf die S-Bahn warten müssten. Bus und U-Bahn streiken wirklich. Bleibt nur das Taxi. Über 14 Stunden von Hotel- zu Haustür. Thailand? Nein, Fuerteventura.

ULI HANNEMANN