Bahnfuzzis mit Oberlippenbart

Seit acht Jahren machen Jim Lacy und Kathrin Albers Trickfilme. Ihr neuester Streich über die Folgen der Bahnprivatisierung läuft jetzt beim Kurzfilmfestival Hamburg. Beim Filmfest Schleswig-Holstein hat er bereits einen Preis gewonnen

Total übermüdet seien sie, weil sie die Nacht durch am letzten Film gearbeitet hätten, sagt Jim Lacy am Telefon. Doch statt zweier erschöpfter Workoholics trifft man in dem Studio in Hamburg-Altona zwei heitere Gestalten, die Kaffee anbieten und vor den Kulissen eines ihrer älteren Filme aufs Sofa sinken. Ihr letztes Werk „Die schiefe Bahn“ haben sie heute morgen um 6 Uhr zum Kopierwerk gegeben.

Vielleicht sind die beiden Gründer des Animationsstudios Stoptrick deswegen so gelassen, weil sie just erfahren haben, dass dieser Film beim 12. Filmfest Schleswig-Holstein einen ersten Preis gewonnen hat – noch vor der Premiere auf dem Internationalen Kurzfilmfestival Hamburg. In dem Film werden die Einsparmaßnahmen der Deutschen Bahn persifliert, als Kulisse dient der Hamburger Hauptbahnhof.

Lacy, strubbelblond, Dreitagebart, hat hellblaue, leicht müde Augen und ein schwarzes T-Shirt der amerikanischen Filmfirma Warner an. Das sind die, die Bugs Bunny über die Leinwand hüpfen ließen. Der Ex-Texaner kam nach Hamburg zum Studium der Philosophie und Politikwissenschaften. Er wählte Deutschland, weil er in den USA durch deutsche Freunde neugierig auf dieses Land und durch die Platte „Sprünge“ Herbert Grönemeyer-Fan geworden war.

Als er nach Deutschland kam, wollte Lacy promovieren. Doch es kam anders. Bereits als Kind hatte er mit dem Bruder kleine Filmchen um selbst gebastelte Marionetten gedreht, und nun machte er damit weiter. 2000 mietete er mit einem Freund ein Atelier in der Hamburger Dosenfabrik. Hier entdeckte er seine künftige Mitarbeiterin Kathrin Albers, die nur durch eine Wand getrennt an ihrem Animationsfilm-Diplom arbeitete.

In den Filmen von Lacy und Albers geht es um Krokodile auf Chefsesseln, Elefanten auf Fließbändern und rattige Bahnfuzzis mit Oberlippenbart. Seit 8 Jahren haben die beiden mit weiteren Getreuen 30 Filme gemacht, davon 4 Kurzfilme und etliche Werbefilmchen. Heute fläzt sich Kathrin Albers schlaff ins Sofa, die Müdigkeit kommt jetzt doch noch hoch. Zum Glück ist dank eines Auftrags für eine große Rösterei eine Menge Kaffee vorhanden, und so kann sie koffeinerfrischt erklären, dass sie mehr für die Charakterentwicklung zuständig sei. Ihre Vorbilder seien französische Comics und Zeichner wie Tomi Ungerer. Humor ist ihr wichtig.

Lacy, politisch interessiert und durch Realfilme inspiriert, kümmert sich um Plot und Beleuchtung. Oft muten seine dramatischen Szenarios wie Parodien berühmter Hollywoodklassiker an. Passende Musik ist hierbei ebenso wichtig wie die Auswahl guter Sprecherstimmen. So spricht die Komödiantin Käthe Lachmann in „Friss, Vogel, oder stirb“ sämtliche Rollen, und „Die schiefe Bahn“ baut eine musikalische Atmosphäre auf, die an frühe James Bond-Filme erinnert. Alle Musik wurde exklusiv komponiert von Edward Harris, der, wie fast alle wichtigen Mitarbeiter, zum ganz alten Freundeskreis von Lacy zählt.

Der ist ganz in Deutschland angekommen. In seiner Freizeit, sagt er, spiele er gern Doppelkopf und Skat. In beidem sei er ein Ass. IMKE STAATS

Internationales Kurzfilmfestival Hamburg: 4. bis 9. Juni. „Die schiefe Bahn“ läuft am Freitag, 6. Juni, bei der „Kurzfilmnacht 1“ im Zeise-Kino