Biennale Bukarest: Globusmotive sammeln

Der lokale Kontext schwächelt: Die Biennale Bukarest zeigt sich zwar international angeschlossen, verpasst aber die Anbindung an die eigene Metropole.

Die Welt, zerstückelt als Tableau. Bild: Biennale Bukarest

Durch die umstrittene Schließung des Bochumer Nokia-Werks rückte kürzlich wieder einer der jüngsten EU-Mitgliedstaaten verstärkt in die Aufmerksamkeit: Rumänien, denn an diesen neuen Standort umzuziehen, bot Nokia seinen Bochumer Arbeitern an. Nicht erst seit dem Beitritt im vergangenen Jahr, dadurch aber sicherlich nochmals befeuert, sieht sich das Land mit erheblichen Umwälzungen konfrontiert. Der anhaltende Wirtschaftsboom oder die Einrichtung einer Antikorruptionsbehörde sind einige der Indizien. Inwieweit sich die Zerrissenheit der laut einer Umfrage "unglücklichsten Optimisten der EU" zugunsten einer allgemeinen Aufbruchsstimmung beheben lässt, zeigen vielleicht die Kommunalwahlen am 1. Juni.

Ein Signal könnten auch die vielfach ausgezeichneten rumänischen Filme der letzten Jahre sein, etwa von Cristian Mungiu oder Cristi Puiu sein, die fast alle die Nachwehen des kommunistischen Regimes behandeln. Auch die Kunstszene versucht Flagge zu zeigen. Die zum dritten Mal stattfindende Bukarest Biennale verdoppelte ihren Umfang im Vergleich zu 2006. Mit ihrer Einladung an die Kuratoren Jan-Erik Lundström und Johan Sjöström vom Bildmuseet der Umeå University in Schweden plädierten die Organisatoren der Biennale, die aus dem Umfeld der Kunstzeitschrift Pavilion kommen, allerdings für das Format der international konsensfähigen Biennale-Veranstaltung.

Die Ausstellung, der Lundström und Sjöström das Motto "Being here. Mapping the contemporary" gaben, hätte jedenfalls leicht woanders stattfinden können. Ortsbedingte Spezifika hat das "Paris des Ostens", wie die knapp zwei Millionen Einwohner zählende Hauptstadt gerne genannt wird, sicher mehr, als es die Ausstellungsorte vermitteln. Es hätte sich dazu angeboten, das Schlagwort Kartografie an konkrete urbanistische Fragestellungen der Metropole Bukarest anzubinden. Stattdessen verbleiben die Fragen meist im Abstrakten oder aber Individuellen, etwa wenn Yoko Ono in ihrem "Film No. 5, Smile" (1968) die Gesichtslandschaft von John Lennon vermisst.

Dem nicht genug, sind lediglich drei der insgesamt 38 Teilnehmerinnen und Teilnehmer rumänischer Herkunft. Bedauerliche Bilanz ihres Auftritts: Weder Cezar Lazarescus harmlose Gebotstafeln im öffentlichen Raum "Walk on the grass!" noch Adrian Mateis einfältige Aufdrucke der rumänischen Landesform auf Klopapierrollen wecken auch nur irgendein Interesse. Lia Perjovschis über Jahre gewachsenem Sammelsurium diverser mit Globusmotiven versehenen Gegenstände kann man immerhin einen gewissen Charme nicht absprechen. Erst recht nicht in der verspielten, wenngleich etwas überfüllt erscheinenden Installation in den patinierten musealen Räumen des Geologischen Instituts - das im Übrigen wundervolle, nostalgisch anmutende Zeitkarten zur Evolution bereit hält.

Ebenfalls in diesem Museum, allerdings im Keller, ist die Diainstallation "The Mother of all Journeys" (2007) von Dinu Li zu sehen. Er versucht die eigene Biografie über die Verschränkung privater Zeugnisse zu erkunden, ja zu verorten, und blendet alte Fotografien seiner Mutter aus der Zeit vor ihrer Emigration von China nach Großbritannien und Tagebucheinträge übereinander. Ähnlich gehen Lauri Astala und Kristoffer Ardeña vor, die die geschichtsträchtige Stadt schlechthin zu ihrem Gegenstand wählen: "Rome dérive I" (2006) zaubert Bewegung in die erstarrten Impressionen der ewigen Stadt, während "Erased Diary Rome" diese ewige Spurensuche nach der Vergangenheit in - kaum leserlich - beschriebenen Seiten eines Notizbuches visualisiert.

In den anderen Schauräumen, drei Galerien im belebten Teil der Innenstadt, sowie in dem gerade in Entstehung begriffenen neuen Kunstraum "Pavilion" häufen sich hingegen Positionen, die meist allzu direkt dem Thema verhaftet bleiben: Karten, wohin man sieht. Als Monade der Welt bezeichnet die Philosophin Christine Buci-Glucksmann die Karte, sie ist "gleichzeitig multifunktional und multitemporal, eine nichthierarchische Verzweigungsstruktur, in der Lokales mit Zentralem, Gedächtniskunst und Handlungsverläufe koexistieren". Emma Kay liefert mit "The World From Memory" (2003) einen vom Subjektiven ausgehenden Erinnerungsatlas, der nicht nur in ästhetischer Hinsicht ansprechend ist, sondern auch Aufschluss bietet über die sogenannte westliche Wahrnehmung.

Die diagrammatischen Welterklärungsmodelle von Bureau dÉtudes oder Ashley Hunt zeichnen sich dagegen wie die (eigentlich anderen Disziplinen erwachsenen) Beiträge von Arno Peters, Le Monde diplomatique oder auch die seit 1970 betriebene Sprachtypologisierung durch Atlas Linguarum Europae weniger durch Kunstwollen als durch die kreative Umsetzung und Anordnung von primär geopolitischen und soziokulturellen Daten aus. Vielleicht kann die im Oktober stattfindende Periferic Biennial in Iasi, die sich dem Phänomen der Gabe widmen wird, mit ihrer Roadmap adäquater auf Form und Funktion der Mechanismen von Gegenseitigkeit eingehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.