berliner szenen Stalins Hinterhof

Der Alex ist kaputt

Steht der Atomkrieg kurz bevor? Oder tarnen wir uns mit Hässlichkeit, um ausländische Imperatoren davon abzuhalten, unsere Hauptstadt zu erobern? Haben die Bürgermeister der Westbezirke durchgesetzt, dass es auch in den neuen Szenebezirken ein paar abgrundtief hässliche Flecken geben muß? Oder sollte es etwa einen persönlichen Grund für diese Misere geben? Hatte der Architekt Liebeskummer? Waren Backsteine zu teuer? Die Bauarbeiter zu faul für Details?

Auf diese Fragen gibt es keine einfache beziehungsweise einfach keine Antwort. Niemand scheint so genau zu wissen, warum der Alexanderplatz inzwischen aussieht wie der misslungene Hinterhof von Stalin, nicht mal der Bürgermeister persönlich. Während der gemeine Berliner (oder was von ihm übrig geblieben ist) tagtäglich über den Platz schlurft, ohne diese Bausünde einmal genauer zu betrachten, wirkt der Besuch aus den USA schockiert. Der Kaufhof weckt Erinnerungen an den Führerbunker, C&A besticht durch ein so einfallsloses Grau, dass die Kleidung ausnahmsweise mal „funky“ rüberkommt, und die Alexa wirkt trotz ihres klotzartigen Designs so, als würde sie jeden Moment in tausend Styroporteile zusammenfallen.

Doch als Stadtpatriot darf man all dies nicht zugeben, und so weise ich auf das großartige Mosaik am Haus des Lehrers oder die allseits verehrte Weltzeituhr hin und versuche die Aufmerksamkeit des Gasts von den Gestalten mit dem Lebensmotto „A burp is an answer!“ hin zum Marionettenspieler zu lenken. Der Alex ist „Kult“, erkläre ich schließlich. All diese schamlosen Behauptungen führen jedoch zu einem unerträglichen Schamgefühl, das ich durch diese Beichte loszuwerden hoffe: Ich danke Ihnen. JURI STERNBURG