Aufarbeitung der Franco-Diktatur: Lorcas Exhumierung

Wo Federico García Lorcas Leiche liegt, ist bekannt - anders als bei 30.000 Opfern des Franco-Regimes. Eine Bürgerbewegung rührt nun an den verdrängten Verbrechen.

Ginge es nach seinen Nachfahren, würde Lorca einfach hier liegen blieben. Bild: dpa

Vor 72 Jahren hat die franquistische Soldateska sie gefangen genommen, ermordet und an einem Hang bei Biznar, unweit des andalusischen Granada verscharrt: Den Schulmeister Dioscuro Galindo, den Installateur Francesco Galladi, den jungen Anarchisten Joaquín Arcollas und den Dramatiker, Poeten, Sammler der andalusischen Volksmusik und bekennenden Schwulen Federico García Lorca.

Anders als bei den 30.000 Verschwundenen, die allesamt Opfer des Franco-Regimes sind, war bereits seit den 70er-Jahren bekannt, wo die Leichen Lorcas und seiner letzten Begleiter lagen. Lorcas Biograf, der irischstämmige Jan Gibson, hatte einen Mann entdeckt, der 1936 erst 14 Jahre alt war und die Grube für die drei Erschossenen ausheben musste. Heute findet sich hier ein Olivenhain, und eine Gedenkstein erinnert an die Untat.

So sollte es nach Meinung der Großnichten und -neffen des ermordeten Dichters auch bleiben. Die Sprecherin der Lorca-Familie, Laura García Lorca, stellte schon 2002 die Frage, wozu eine nun diskutierte Exhumierung der vier Opfer gut sein solle. Sie befürchtete, dass die Bergung der Skelette zu einem Medienrummel ausarten würde. Aber die Nachkommen von Gallindo und Galladi (von Arcollas gibt es keine Verwandten mehr) sahen die Sache anders. Sie wollen für ihre Großväter ein würdiges Begräbnis und damit auch eine späte politische Anerkennung der Opfer. Anders als noch vor einigen Jahren erfährt dieser Wunsch nun Unterstützung durch die Justiz. Baltasar Garzón, Untersuchungsrichter am obersten spanischen Gericht und mit dem Schicksal der "verschwundenen" Opfer der Franco-Diktatur befasst, ordnete in diesem Sommer an, dass die Archive aller staatlichen Behörden und der Kirche für seine Recherche geöffnet werden müssten. An ihn wandte sich die Enkelin des ermordeten Schulmeisters Galindo.

Die Entscheidung des Untersuchungsrichters steht noch aus, denn es ist umstritten, ob er für eine solche Anordnung zuständig ist. Dennoch gibt es in den liberalen und linken Medien keinen Zweifel darüber, dass die Anordnung erfolgen wird. Denn seit einigen Jahren bröckelt die Mauer des Schweigens zu den Verbrechen den Franco-Regimes. "Nur nicht die Wunden des Bürgerkriegs von 1936 bis 1939 wieder aufreißen" - das war die Regierungsmaxime der bürgerlichen, aber auch der sozialdemokratischen Regierungen. Mit der Vereinigung "für den Wiedergewinn der historischen Erinnerung" entstanden in ganz Spanien aber Initiativen für die Exhumierung der Opfer. Allein für Andalusien wurde am 15. September in Granada eine Liste von 5.000 lokalisierten Opfern vorgelegt.

Angesichts dieser Entwicklung hat Laura García Lorca erklärt, ihre Familie bleibe bei ihrer Ablehnung, werde aber der Exhumierung keine Hindernisse in den Weg legen. Wo Lorca danach begraben werden wird, ist offen. CHRISTIAN SEMLER

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