Sie kämpfen, klar, wofür noch mal?

Mit fetten Klebestellen zwischen Stück und Deutung: Yana Ross inszeniert „Macbeth“ an der Volksbühne

Kleiner Mann, brüll doch nicht so. „Ich hab’s getan, ich hab die Tat getan“, röhrt eine Stimme, größer und animalischer als die ganze dürre und schwitzende Gestalt des Mannes, der eben noch nur der Schwager des Chefs war. Und jetzt, nachdem er diesem Duncan etwas ziemlich Umhauendes in den weißen Trank gekippt hat, selbst zum Herrn über den Waschsalon aufgestiegen ist. Denn er, Macbeth, bekannt als Mörder auf dem Thron von Schottland, wird in der Bearbeitung des Shakespeare-Stoffes durch die Regisseurin Yana Ross zum intriganten Kämpfer um einen Familienbetrieb, der mit seinen schmuddligen Waschtrommeln seine besten Zeiten eh schon hinter sich hat.

Die erste Premiere der Spielzeit im großen Saal der Volksbühne ist eine traurige Veranstaltung. Viele Plätze sind leer, große Neugierde bringt man der ersten Berliner Arbeit der aus New York kommenden Regisseurin nicht entgegen. Dass sie vorhat, Shakespeares Drama um den König, den die Gespenster seiner Verbrechen jagen, auf kapitalistische Verhältnisse zu übertragen, passt zwar zum Image des Hauses ebenso wie das gelegentliche Hinübergleiten des Plots in eine deutsche Nachwendegeschichte. Mit starken ostdeutschen Akzenten lassen sich Macbeth (Uwe Schmieder) und seine Lady (Naomi Krauss) über ihre Träume von Luxus und Leistung aus, und das genügt inzwischen, um das Scheitern anzudeuten. Ist das kabarettistisch, satirisch oder nur noch zynisch? Oder doch wohl eher nur ein schnell abgegriffener Gag in dieser Inszenierung, die auf einer anderen Bühne, in einem kleineren Theater, wohl als zwar etwas epigonale, aber doch halbwegs respektable Anstrengung durchgehen könnte.

Hier aber wirkt das Missverhältnis zwischen dem Anspruch, Wirklichkeit von heute mit den Instrumenten des klassischen Theatertextes zu spiegeln, und den dicken Klebestellen zwischen diesen Ebenen besonders eklatant. Denn es wird nur ungenügend vermittelt, wie denn die Wünsche und Strategien der schottischen Lords zu den Taktiken der Angestellten und Erben in diesem Waschsalon passen sollen – zumal dies Geschäft mehr ein Klotz am Bein als ein begehrtes Objekt zu sein scheint. Malcolm, der aus dem Weg gedrängte Erbe, hat denn auch nie etwas anderes vor, als alles zu verkaufen, und verschläft im Übrigen alle Konflikte.

Und so geschieht es, dass man trotz vieler gebrüllter Worte oft doch nicht ganz versteht, was gerade anliegt. Sie kämpfen, eindeutig, gegeneinander, auch klar, aber wofür noch mal? Zusammen hält so das knapp 90-minütige Stück weniger ein Hineinfinden in die Figuren und ihre Motive als vielmehr ein äußeres Design: das Bühnenbild von Zane Pihlstrom, die rockige Musik von Sir Henry, die Toncollage eines Radiosenders und ein eklig knackendes Geräusch: das Zertreten von Schalentieren, die als rote Hummer am Ende den Bühnenboden bedecken.

KATRIN BETTINA MÜLLER

Wieder in der Volksbühne am 27. Sept., 19. Oktober