Alice Coopers Memoiren: Der betende Schockrocker

Alice Cooper ist der Meister des eklektischen Mummenschanzes. Seine Autobiografie erzählt von Erfolg, Alkoholismus und später Liebe zu Gott.

Er muss nun für alle Zeiten durch die Mehrzweckhallen und Bürgerzentren in der Diaspora tingeln: Alice Cooper. Bild: dpa

Als vor vielen Jahren ein befreundeter Journalist ein Interview mit Alice Cooper offeriert bekam, überlegte er mit seinem Fotografen, wie sie dem ehemals so großen Mann angemessen gegenübertreten sollten. Man einigte sich schließlich auf die berühmte Szene in "Waynes World", in der Wayne und Garth backstage einem Vortrag Coopers über die indianischen Wurzeln der Stadt Milwaukee lauschen und sich dann vor Demut vor ihm in den Staub werfen: "Wir sind unwürdig …"

Zwei Minuten vor der Audienz bekommen die beiden dann aber doch kalte Füße, finden das alles plötzlich albern, ändern ihr Konzept kurzfristig und begrüßen ihn ganz schlicht, auf Augenhöhe, mit einem Handschlag. Cooper sieht sie überrascht an und nickt dann zufrieden: "Endlich mal einer, der nicht diese beschissene Waynes-World-Nummer abzieht!"

Tatsächlich aber war die ehemals auratische Gestalt Ende der Neunziger zu einer Szene in einem Comedy-Streifen eingedampft. Den Rest interessierte fast nur noch die Oldie-Fraktion. Und so teilt auch Alice Cooper das Schicksal vieler Rock-n-Roll-Ahasvers: Er muss nun für alle Zeiten durch die Mehrzweckhallen und Bürgerzentren in der Diaspora tingeln. Sein neues Album, "Along Came A Spider", ist auch nur ein Alibi, ein Anlass für die nächste World Tour, auf der man sowieso höchstens zwei Songs davon bringen wird. So klingt es jedenfalls: als hätten die Gitarristen gar nicht erst die Marshalls ausgepackt, sondern die Gitarrenklinken gleich ins Digitalpult gestöpselt. Die Produktion ist flach, lau, undynamisch, da knallt nichts. Und was soll auch knallen bei diesen inspirationslosen Songs, die zum xten Mal, geradezu seriell alte Cooper-Hit-Schemata abpausen.

Angesichts der freudlosen Gegenwart kann ein bisschen nostalgische Rückschau nicht schaden, und diesem Bedürfnis hat Alice Cooper gerade mit seiner zweiten Autobiografie Rechnung getragen Sie trägt den Titel "Golf Monster. Mein Leben zwischen Golf und Rock n Roll". In zwölf Exkursen beschreibt er, wie er nach zwei Entzügen seinen Alkoholismus gegen die Golfsucht eintauscht. Dann gibt er auch gleich noch ein paar Tipps, mit welchem Gallaway-Driver man neun Meter mehr rausholt, wo der Ellbogen beim Chippen anliegen muss usw. Das dürfte wohl kaum jemanden interessieren.

In den übrigen zwei Dritteln des Buchs aber erinnert sich Cooper unbefangen, aufrichtig und beinahe bescheiden an seine gloriose Zeit als Musiker. An die späten Sechziger etwa, als er neben den MC 5 und den Stooges, Amboy Dukes und ein paar anderen den Hippies mit ihren Paradies-Naherwartungen einen ungeschlachten, asphaltharten Brocken Detroiter Stahlstadtrealität vor die gebatikten Lätze knallte. Schon früh hatte er sich von der befreundeten Girlband GTOs ein abgerissenes Fummeltrinen-Outfit auf den Leib schneidern lassen. Das war Glam avant la lettre.

Und als der dann tatsächlich so hieß und die Band ihre Musik vom Produzenten Bob Ezrin noch einmal vollständig zerlegen und marktgerecht wieder zusammensetzen ließ, begann die große Zeit von Alice Cooper. Er ging noch einen Schritt weiter und hyperbolisierte das Glam-Konzept in Richtung Horrorshow mit elektrischem Stuhl, Guillotine, Zwangsjacke, eimerweise Filmblut und der notorischen Würgeschlange. Ein ziemlich eklektischer, mit Motiven aus Gothic-Literatur und Horror-B-Movies spielender Vaudeville-Mummenschanz wurde dargeboten, der die größten Säle und Stadien füllte. Das brachte ihm schließlich sogar einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde ein: 1973 bestritt er in São Paulo vor 158.000 Zuschauern das bisher größte Hallenkonzert, in einem Gebäude siebenmal so groß wie der Madison Square Garden. Es war ein Chaostrip, erinnert sich Cooper: "Als wir eine Pressekonferenz gaben, erschienen 30.000 Leute. Während dieser Pressekonferenz wurden in den Toiletten zwei Menschen erstochen. Soldaten waren da. Ein Baby wurde geboren."

Dann der Suff, ein paar weniger erfolgreiche Alben. Alice Cooper war beinahe schon weg vom Fenster, als sich Mitte der 80er die Theater AG des Heavy Metal emanzipierte und als "Sleaze" auch noch Erfolge feierte. Die jungen Bands dieses Genres liebten Cooper. Mötley Crüe, Faster Pussycat, Guns N Roses, Poison beriefen sich immer wieder vollmundig auf ihn. Der nutzte seine Chance, ließ sich von einschlägig erfahrenen Produzenten und jungen, gut aussehenden Mietmusikern musikalisch runderneuern und konnte seine Karriere so bis in die 90er-Jahre auf hohem kommerziellen Niveau fortführen.

Von dem letzten Karriereknick erfährt man in seiner Autobiografie natürlich nicht viel, dafür umso mehr darüber, wie er ihn kompensiert. Mit Golf - und dem lieben Gott. Er führt am Ende einen peinlichen Eiertanz auf, will einerseits den alten Apostaten-Fans klarmachen, dass man auch als gläubiger Christ immer noch "schwer auf Draht" sein könne und zugleich sich und seinem Herrn Rechenschaft ablegen. Auf einmal darf die Show auch kein kurzweiliges Varieté-Spektakel ohne tieferen Hintersinn mehr sein, sondern muss den hehren Zweck haben, die "Niedertracht auf der Welt satirisch darzustellen", um der "Welt heute eine gewaltige Dosis Moral und gesunden Menschenverstand" einzutrichtern. Aber passagenweise amüsiert man sich ganz gut. Einmal erzählt er von seiner Liebe zu schlechten Kung-Fu-Filmen, die er sich ungeachtet des Gespötts der Roadies regelmäßig vor der Show ansieht: "Jeder Musiker hat seine eigenen Rituale, bevor er auf die Bühne geht. Peter Frampton bügelt."

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