Tanz die Verweigerung

Jung, eigensinnig, erfolgreich: Mit ungeduldigem Sound und ungeschminkten Texten setzt die Band „1000 Robota“ eine Wegmarke ins Popuniversum. Das beschert den eben Volljährigen eine Aufgabe jenseits der Musik: den Umgang mit dem eigenen Hype

Erst ist da nur Nebel. Dann zeichnen zuckende Lichter drei Schatten auf die Bühne im Hamburger „Übel & Gefährlich“. Schließlich rollt das Schlagzeug. Knappe Riffs legen sich darüber, schnörkellos fordert eine Stimme: „Schmeiß’ dein Ego weg und feier’ das, was du liebst!“ Der Scherenschnitt im Dunst, das sind Anton Spielmann, Jonas Hinnerkort und Sebastian Muxfeldt. Kurz: 1000 Robota. Hamburgs Post-Punk-Indie-Wunderkinder. Gestern eine Combo unter vielen. Heute Medienliebling mit notorisch erhobenem Mittelfinger.

16 Monate zuvor sitzen die drei Jugendlichen unter einem Dachgiebel irgendwo in der Nordheide und machen, was man eben so macht in dem Alter: Sie gründen eine Band. Mit ein paar Songs im Gepäck nehmen sie an einem „Bandbattle“ teil, räumen ab und lehnen die Ehrung aus geradezu Reich-Ranicki’schen Gründen ab. Sie stellen ihre Stücke ins Internet und ein paar Wochen später flattert ein Plattenvertrag vom Hamburger Label „Tapete Records“ ins Haus. Eine Geschichte also, wie sie in zahllosen Proberäumen getagträumt wird.

Im Frühjahr legt die 1000-Robota-Debüt-EP „Hamburg brennt“ Feuer – allerdings zunächst in London: In kleinen Clubs hämmern sie los, das Publikum ist außer sich. Das Musikblatt NME beschreibt ihre Songs als „darkly addictive birthday party floor-killers“. Dieser Ritterschlag in der Pop-Metropole lässt die heimische Presse aufhorchen. Als im September das Album „Du nicht er nicht sie nicht“ erscheint, steht sie Schlange – von Prinz bis Zeit.

Das Konzert im „Übel & Gefährlich“ beendet die erste Deutschland-Tour der mittlerweile Volljährigen. 15 Konzerte haben sie gespielt, auch mal vor 100 Leuten in viel zu großen Sälen. Marburg ist eben nicht London. Wenigstens in Hamburg-St. Pauli aber ist der Laden voll. Ein Heimspiel vor 500 Gästen, viele davon in Röhrenjeans, Cardigan und Chucks auf dem Weg zum Abitur. Aus den hinteren Reihen verfolgen ein paar graumelierte Alt-Punks mit verschränkten Armen, ob die Jugend von heute überhaupt einen zünftigen Pogo beherrscht. Bei der Zugabe ist sie nicht weit davon entfernt.

So ein 1000-Robota-Song zetert oft nur zweieinhalb Minuten. Eben genug Zeit für Sänger Spielmann, zu sagen, was unbedingt gesagt werden muss: „Sie trinken diese Säfte und spenden die Moneten / Wir sitzen in den Ecken und lenken die Raketen / Mitten in ihr Herz“: tanzbare Verweigerungshaltung. Die liturgische Wiederholung vieler Zeilen verleiht dem Ernst der Lage Nachdruck: 1000 Robota, so scheint es, spucken auf alle, die es sich gemütlich gemacht haben in der Gesellschaft.

In der Wohnung des Wortführers stehen ein Bett, zwei alte Plattenspieler und eine Couch nebst Standaschenbecher. Spielmann nimmt Platz, um Pressefragen zu beantworten. Zum zigsten Mal. Die meisten Journalisten hätten aber genauso gut zu Hause bleiben können, sagt er: „Egal, was ich denen mitteile, die schreiben immer was sie wollen.“ Zum Beispiel, dass sich 1000 Robota in den Fußstapfen des Punk bewegen, weil sie Palais Schaumburg gecovert haben, „Wir bauen eine neue Stadt“.

Der Karrierestart von 1000 Robota erinnert etwa an den der Arctic Monkeys: Von jetzt auf gleich vom Niemand zum Jemand. Das Aschenputtel-Motiv. Nach so was hungern die Medien und basteln folglich fleißig mit an einem geradezu messianischen Bild der drei Musiker. Für die fühlt sich das an, als verlören sie die Deutungshoheit über sich selbst. Als fresse der Hype seine Kinder.

„Die schrauben die Erwartungen sehr hoch, dabei sind wir einfach eine gute Band“, versucht Spielmann den Mythos zu entzaubern. Das stimmt zwar, ist aber noch nicht alles. Spätestens die dritte explizite Journalistenschelte in ein und dem selben Konzert ist mehr künstlerisch-politische Stellungnahme als gekränkte Eitelkeit: „Glaubt nicht den Magazinen“, fordern 1000 Robota. „Glaubt nur uns!“ Solche Hybris weckt Sympathie.

„Wir wollen den Leuten mitteilen, dass sie ihre eigenen Ideen leben sollen“, sagt Spielmann. Die Kurzformel dafür lautet: „Don’t believe the hype!“ Das alte Feindbild Medienrummel – und natürlich sorgt gerade die Verweigerung für weiteren Rummel. Doch 1000 Robota beherrschen die Jonglage mit den Widersprüchlichkeiten. Auf ihren Werbeplakaten steht: „Werbung nervt.“ MATHIAS BECKER