David Byrne und Brian Eno: Erstaunlich klassischer Pop

Die Pop-Avantgardisten David Byrne und Brian Eno haben eine neue Platte gemacht: "Everything That Happens Will Happen Today" heißt sie und ist mal vom Soul, mal vom Funk inspiriert.

Im März 2009 startet seine Konzertreise durch Deutschland: David Byrne. Bild: ap

Älter werden und dabei immer neugierig bleiben ist selten in der Welt des Pop. Umso bemerkenswerter, wenn zwei Musiker, die diesem raren Künstlertypus entsprechen, sich für eine Platte zusammentun: Brian Eno und David Byrne. Eno hatte in den späten Siebzigern und frühen Achtzigern die wegweisenden ersten Alben von Byrnes ehemaliger Band Talking Heads produziert. Einiges der Aufregung und Erwartung, die "Everything That Happens Will Happen Today" vorausging, hatte aber vor allem mit "My Life In The Bush Of Ghosts" von 1981 zu tun. Eines der legendären Experimental-Popalben jener Tage, damals eingespielt von Byrne, Eno und einem Haufen Gastmusiker. Vor zwei Jahren ist es wieder veröffentlicht worden.

"Everything That Happens Will Happen Today", das kann man gleich vorweg sagen, hat so wenig mit "My Life In The Bush Of Ghosts" zu tun, dass man manchmal daran zweifelt, ob es wirklich die gleichen Künstler sind, die für beide Alben verantwortlich zeichnen.

Der Neugierige hat ja oft einen Hang zur Verzettelung, weder Byrne noch Eno sind frei davon. Byrne ist ja nicht nur Musiker, Sänger, Songwriter und ehemaliger Kopf der Talking Heads. Er fotografiert und macht Bücher, er ist Musikentdecker und hat mit Luaka Bop eines der wegweisenden Weltmusik-Labels begründet, außerdem schreibt er noch täglich sein Blog voll. Ein ähnliches Bild könnte man von Eno zeichnen. Mit Roxy Music stand er als queerer Glamrocker auf der Bühne, mit den Krautrockern von Cluster daddelte er Experimentalplatten ein, mit U2 und David Bowie setzte er Millionen um. Und alleine erfand er die Ambientmusik.

"My Life In The Bush Of Ghosts" verband die beiden in ihrem Willen zum Vermessen ganz neuer Territorien. Es war eine irre, wirre und wegweisende Collageplatte, auf der Samples von ägyptischem Pop, Radiostimmen und diverse andere Dinge sich mit Funkrock und Weltmusik vermischten. Eine dieser Platten, die auf der feinen Linie zwischen "wegweisend" und "unhörbar" balanciert. So stellte man sich in den frühen Achtzigern wohl das 21. Jahrhundert vor, wenn man Kunsthochschulpop-Superstar war. "Everything That Happens Will Happen Today" besteht aus elf klassischen Songs, in klassischer Instrumentierung: große Band, großer Chor, großes Arrangement. Das genaue Gegenteil, also: so fasst man das 20. Jahrhundert zusammen, wenn man als ehemaliger Kunsthochschulpop-Superstar alles gesehen und gemacht hat. Die Entdeckungsreisen ins Experiment, in den Klang abgelegener Weltregionen und in den Großmainstream des Millionenerfolgs.

Byrnes Stimme hat auf diesem Weg ins klassische Fach sogar einiges ihrer Nervensägenhaftigkeit verloren - entstanden ist "Everything That Happens Will Happen Today" nach einem Essen Byrnes und Enos, Letzterer hatte einige Tracks fertig, Ersterer schrieb darüber seine Lyrics. Doch es klingt, als hätten sich die beiden gesagt: hier muss klassischer Pop her.

Ja, mal lässt man sich beim klassischen Soul inspirieren ("Life Is Long"), es wird auch mal funky ("Strange Overtones"), der Titelsongs selbst holt sich einige seiner Sounds bei den elektronischen Klangwelten der letzten Jahre ab. Im Großen und Ganzen ist dies aber eine so klassische wie wertkonservative Platte.

Ist das so?, fragt man sich beim Hören manchmal, landet man am Ende beim Song? Ist das der Weisheit letzter Schluss, wenn man zwischen Mitte fünfzig und Anfang sechzig ist? Die last frontier(,) deren Faszination sich auch der neugierige Künstler nicht entziehen kann? Mit "Everything That Happens Will Happen Today" sind Brian Eno und David Byrne auf jeden Fall genau dort gelandet, wo in der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts der ästhetische Kern der Popmusik lag: beim Song.

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