Schwedische Akademie bezieht Stellung: Das freie Wort und die Gewalt

Die schwedische Royal Academy hatte zwei Schriftsteller, die von Gewalt bedroht sind, zur Diskussion geladen: Salman Rushdie und den von der Mafia bedrohten Roberto Saviano.

Roberto Saviano (l), Horace Engdahl (m) und Salman Rushdie (r) im Stockholmer Börsensaal. Bild: dpa

Die 450 Eintrittskarten waren innerhalb einer Minute vergriffen. Die Sicherheitskontrollen vor dem Börsensaal in Stockholm waren rigoros. Die Schwedische Akademie, das Gremium, das die Literaturnobelpreise verleiht, hatte am Dienstagabend zu einer Veranstaltung mit dem Titel "Das freie Wort und die gesetzlose Gewalt" zwei Betroffene eingeladen. Roberto Saviano, der seit zwei Jahren gezwungen ist, rund um die Uhr mit Personenschutz zu leben, weil ihn die Mafia wegen seines Buchs "Gomorrha" auf die Todesliste gesetzt hat. Und Salman Rushdie, der dieses Leben schon einige Jahre länger kennt.

Sie berichteten, wie es sich anfühlt, "wenn deine eigenen Worte dir deine Freiheit genommen haben, deine Freiheit hinzugehen, wohin du willst, und einfach zu existieren" (Saviano). Rushdie schilderte ein Alltagsleben unter ständiger Bedrohung. Er erzählte von der Mühe, die es bedeute, ständig die Unterkunft wechseln zu müssen, über das Gefühl der Unsicherheit, das sich einstelle, wenn eine Airline einen für ein Risiko halte, mit dem sie nicht fliegen könne, von der Mühe, wie man es noch "eine weitere Nacht mit diesen Leibwächtern aushält". Beide äußerten sich pessimistisch zur Lage der Meinungsfreiheit. Saviano: "Wahrheit wird im Informationsfluss ertränkt."

Mit seiner Bemerkung, man könne "dem heiligsten Ort in der Welt der Literatur" wohl nicht näher kommen als mit dieser Veranstaltung unter den vergoldeten Fresken des Börsensaals, der Barockmusik aus den Lautsprechern und den Mitgliedern der Schwedischen Akademie im ersten Parkett, erntete Rushdie einen der ersten Lacher.

Aber bedeutet die Einladung an ihn und Saviano, dass die Akademie ihre Haltung geändert hat, sich nicht zu politischen Fragen äußern zu wollen und Morddrohungen als "Polizeiangelegenheit" einzustufen? Akademie-Sekretär Horace Engdahl betonte jedenfalls nochmals, die Schriftsteller seien nicht als Opfer, sondern als Künstler eingeladen. Die Einladung an Saviano solle nicht als Kritik an der italienischen Regierung missverstanden werden.

Doch die Diskussion, die sich nach den Reden von Rushie und Saviano entwickelte, drehte sich um politische Fragen. Und machte damit das, was eine der KritikerInnen der bisherigen Akademiepolitik, die ebenfalls im Saal anwesende Schriftstellerin Kerstin Ekman, gefordert hatte. Sie, ein Akademiemitglied, das wegen dessen Weigerung, die Fatwa gegen Rushdie offen zu kritisieren, seit Ende der Achtzigerjahre die Arbeit des Nobelkomitees boykottiert hatte.

Die Schwedische Akademie habe es geschafft, "eine potenzielle Krise in einen Propagandasieg zu verwandeln", kommentiert die Stockholmer Tageszeitung Expressen die Veranstaltung. Sie habe ihre Position als internationaler Machtfaktor erkannt.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.