Mit verstellter Stimme

Für den Weltkinomarkt gemacht: „Wonderful Town“, ein Filmdebüt aus Thailand

Dieser Film hat Preise gewonnen. Sein Regisseur Aditya Assarat, in Thailand geboren, in den USA zur Schule und zur Uni gegangen, gilt als großes Talent. Er hat Werbefilme und sehr erfolgreiche Kurzfilme gemacht und ist dann ins vom Tsunami verwüstete Phuket gegangen, zurück in die Heimat, um dort „Wonderful Town“ zu drehen, sein Spielfilmdebüt. Er hat dafür Gelder von Singha Bier und von Rolex akquiriert. Das ist nicht ehrenrührig, so viel Geschick und Glück beim Auftreiben von Finanzmitteln aus unerwarteten Quellen möchte man auch anderen Filmemachern wünschen. Das Problem liegt vielmehr im Film selbst, der nämlich ein allzu sicheres Gespür dafür verrät, was der Weltkinomarkt so verlangt.

Auf den Festivals vor allem kann man gut beobachten, dass es erstens so etwas gibt: einen Markt für Weltkinoprodukte. Und dass es zweitens auch so etwas gibt wie ein gängiges filmsprachliches Weltkinoidiom. Das ist zwar vom Arthouse-Mainstream ein gutes Stück entfernt, dennoch läuft es Gefahr, unoriginell zu werden und somit zum bloßen Klischee. Das thailändische Kino ist da ein besonders interessanter Fall. Schließlich hat es Apichatpong Weerasethakul hervorgebracht, eine der eigenwilligsten Stimmen des Kunstkinos der Gegenwart. Daneben aber blühen die Epigonen. Ein eklatanter Fall ist Pen-ek Ratanaruang, der gerne mit dem Wong-Kar-Wei-Kameramann Christopher Doyle dreht und aus extrem verlangsamten, durch Farbfilter geschickten Genrevariationen eine Marke gemacht hat, die sich vor allem durch geschickte Versatzstückkombinatorik auszeichnet.

Auch Aditya Assarat, den es mit „Wonderful Town“ deutlich ins Populärere zieht, ist so ein Fall, der schon mit dem ersten Film epigonal zu erstarren droht. Von Apichatpong Weerasethakul hat er den verträumten Blick auf Mensch und Natur. Von anderen Weltkinogrößen wie etwa dem seinerseits völlig eigenständigen Chinesen Jia Zhang-ke die Neigung zu eher langen, starren Einstellungen und quasidokumentarischen Szenen, in denen vordergründig wenig passiert.

Weil Assarat dieses Idiom schon mit dem ersten Film so gut beherrscht, droht man zu übersehen, dass die Geschichte, die er erzählt, voller Klischees steckt. Da ist die eher widerwillig aus der Stadt ins Heimatdorf zurückgekehrte junge Frau, die ihre Eltern beim Tsunami verloren hat. Da ist der Architekt, der aus der Stadt ins Dorf kommt und selbst an einer seelischen Verletzung schwer trägt. Die Trauer, die in den Bildern des Films waltet, ist gut gemachte Dekoration.

Was Aditya Assarat wirklich kann und wohl auch wirklich will, wird dagegen am ehesten in jenen Szenen von „Wonderful Town“ deutlich, in denen er sich dem Genre des Thrillers nähert. Wie er die Gewalt aus dem Nichts kommen lässt, wie er den Umschlag des Alltäglichen ins Bedrohliche inszeniert: Das macht er, denkt man, niemandem nach. Hier ist er bei sich. Und, natürlich, er ist ein großes Talent. Das sieht man auch in seinem Debüt. Er hat nur die eigene Stimme noch nicht gefunden. Unglücklicherweise verstellt er sich mit „Wonderful Town“ erfolgreich und gut.

EKKEHARD KNÖRER

„Wonderful Town“. Regie: Aditya Assarat. Mit Anchalee Saisoontorn, Supphasit Kansen u. a. Thailand 2007, 92 Min., im fsk-Kino