Die jaulenden Gitarren von Ratatat

Montagabend im Maria am Ufer: Das New Yorker Duo Ratatat breitete seine Alleinunterhaltermusik für den jungen, gepflegten Hippie über das Berliner Publikum aus – eine Popmusik, die nicht mehr viel mit Popmusik zu tun hat

Drei Männer im Tennisoutfit der Achtzigerjahre betraten die Bühne und spielten gut zusammengeklaute Partymusik. Es schien ein vielversprechender Abend zu werden. Die Männer, deren Sänger irgendwann bloßbrüstig dastand und deren Bassist einen Pornoschnauz trug, spielten ihre eigene Version von „Damaged Goods“ von Gang of Four und hofften wohl, dass das Jungvolk unten im Publikum das so goutieren würde. Tat es weitgehend auch. Die jungen Männer waren die Vorband, und irgendwann wurde es höchste Zeit für sie, wieder abzutreten. Als Band nannten sie sich übrigens AJ PiTT. Sie hatten sich auch Boris Cracker nennen können oder schlicht Wimbledon, wie meine Konzertbegleitung vorschlug.

Nach AJ PiTT kamen leere Stunden, die das Maria wohl braucht, um vom Warten gelangweilten Menschen etwas Geld für Bier aus der Tasche zu ziehen. Es war Montagabend, das Maria am Ufer war nicht viel mehr als halb gefüllt, vornehmlich junge Menschen eher schriller Couleurs waren gekommen, um Ratatat zu sehen, ein Duo aus New York, das fortschrittliche Unterhaltungsmusik macht. Nachdem die ersten Pfiffe ertönten, setzte endlich eine laute Bass Drum ein, eine Videoprojektion startete, und Ratatat erklommen die Bühne.

Was nun folgte, lässt sich ungefähr folgendermaßen zusammenfassen: Ratatat, das sind Mike Stroud und Evan Mast aus New York, machen zu zweit eine wunderlich verschraubte Alleinunterhaltermusik. Eine Mischung aus Pink Floyd, Mike Oldfield und Ennio Morricone, oder wenn man will, Air ohne Gesang. Die Musik ist im Wesentlichen eine sehr weiche Musik, sie wird weich gespielt und folgt einer weichen Harmonie, wie beim guten, alten Jean-Michel Jarre abgeschaut ist. Eine Popmusik also, die vielleicht etwas mit Yogamatten und ausgedehnten Vorspielen, für Jüngere mit Bongwasser, aber gar nicht mehr so viel mit Popmusik zu tun hat.

Ratatat haben synthetische Choräle, die über träge schwingenden Beats ausgebreitet werden, endlos ausgewalzte Themen, zwischendurch gern mal eine Reggae-Anleihe oder etwas Triphop, aber immer und vor allen Dingen eine jaulende Gitarre, die über allem schön im Stile der Siebzigerjahre – man kann es nicht anders sagen – geschmiert wird. Die jaulenden Gitarren von Ratatat. Denn Mast und besonders Strout sind nicht nur zwei junge Hippies, sondern eben auch Poseure vor dem Herrn, auch wenn sie mittels Videoprojektion versuchen, ihren Gitarristenposen noch etwas Ironisches abzugewinnen. Kurzum: Das Ganze war weitgehend furchtbar.

Dazu machten sie einen weiteren Fehler. Die Musik von Ratatat ist nicht unbedingt tanzbar, selbst ein Ausdruckstanz fällt schwer. Im Grunde sind die drei bisherigen Alben der Band nur im leicht angerauschten Zustand und im Sitzen zu ertragen. Am Montagabend im Maria aber stand eine aufnahmebereite und nicht unterzukriegende Menschenmenge vor der Bühne und stagnierte munter vor sich hin. Der Fehler bestand nun darin, dass Ratatat fehlende körperliche Ansprüche, von Strouds Posen einmal abgesehen, durch übertriebene Lautstärke zu kompensieren gedachten. Es war mit anderen Worten brülllaut in der Maria. Es war ähnlich laut wie neulich bei Mogwai, damals bei den Peaches, einst bei Atari Teenage Riot, aber die Intensität dieser Acts erreichten Ratatat nie. Was sie vermutlich auch gar nicht beabsichtigten. Denn sie machen dem Wesen nach gänzlich andere Musik.

Musik, für die man bereit sein muss. Musik, auf die man sich einlassen muss. Im vollgedröhnten Maria fiel das sehr schwer. Am selben Abend spielten übrigens die tollen Pas Chic Chic in einem anderen Laden der Stadt. Das ist bestimmt das bessere Konzert gewesen. RENÉ HAMANN